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Gesetz zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland
Thu, 05 Jun 2025 11:18:00 +0200
Die Bundesregierung hat am 4.6.2025 den Entwurf eines "Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland" beschlossen. Das Gesetz sieht neben der Senkung des Körperschaftsteuersatzes u.a. die Wiedereinführung einer Abschreibung von 30 Prozent pro Jahr für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor.
Die geplanten Maßnahmen im Überblick:
Wiedereinführung und Aufstockung der degressiven AfA ab Juli 2025 bis Ende 2027
Üblicherweise schreiben Unternehmen neu angeschaffte Maschinen, Geräte oder Fahrzeuge über die Jahre ihrer Nutzung linear ab. Geplant ist nun neben der linearen AfA bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine sog. degressive AfA von 30 Prozent wieder einzuführen. Dies soll für Wirtschaftsgüter gelten, die nach dem 30.6.2025 und vor dem 1.1.2028 angeschafft oder hergestellt worden sind. Das bedeutet, dass Unternehmen bereits im Jahr des Erwerbs eines Wirtschaftsguts 30 Prozent der Anschaffungskosten mit ihrem Gewinn verrechnen können. Im zweiten und dritten Jahr sollen erneut 30 Prozent auf den restlichen Wert geltend gemacht werden können.
Hinweis: Der bei der degressiven AfA anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Dreifache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 30 Prozent nicht übersteigen.
Schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes ab dem
Geplant ist, die Körperschaftsteuer von derzeit 15 Prozent ab dem 1.1.2028 in fünf Schritten jedes Jahr um ein Prozent bis auf 10 Prozent ab dem VZ 2032 zu senken.
Förderung der Elektromobilität
Ferner ist eine beschleunigte Abschreibung der Anschaffungskosten für Elektrofahrzeuge mit fallenden Staffelsätzen geplant:
Im Jahr der Anschaffung 75 Prozent,
im ersten Jahr danach 10 Prozent,
im zweiten und dritten Folgejahr 5 Prozent,
im vierten Folgejahr 3 Prozent und
im fünften Folgejahr 2 Prozent.
Die Regelung soll für E-Autos gelten, die nach dem 30.6.2025 und vor dem 1.1.2028 neu angeschafft werden. Zudem ist vorgesehen, die Bruttolistenpreisgrenze für die besondere steuerliche Förderung elektrischer Dienstwagen, die nach dem 30.6.2025 angeschafft werden, von aktuell 70.000 € auf 100.000 € zu erhöhen.
Ausweitung der Forschungszulage
Darüber hinaus soll die Forschungszulage auf zusätzliche Gemein- und sonstige Betriebskosten ausgeweitet werden, wenn die förderfähigen Aufwendungen im Rahmen eines begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhabens, welches nach dem 31.12.2025 begonnen hat, entstanden sind. Dabei sollen die Gemein- und Betriebskosten über einen pauschalen Abschlag von 20 Prozent berücksichtigt werden. Zudem ist eine Anhebung der maximalen Bemessungsgrundlage für nach dem 31.12.2025 entstandene förderfähige Aufwendungen von 10 Mio. € auf 12 Mio. € vorgesehen.
Absenkung des sog. Thesaurierungssteuersatzes
Zu guter Letzt soll der Thesaurierungssteuersatz für Einzelunternehmer und Mitunternehmer für nicht entnommene Gewinne schrittweise in drei Stufen von derzeit 28,25 Prozent auf 27 Prozent (Veranlagungszeitraum 2028/2029), 26 Prozent (Veranlagungszeitraum 2030/2031) und 25 Prozent (ab dem Veranlagungszeitraum 2032) abgesenkt werden.
Hinweis: Das Gesetz soll nach dem Willen der Bundesregierung so schnell wie möglich das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Bundestag und Bundesrat müssen dem Vorhaben zustimmen.
Quelle: Regierungsentwurf eines Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland; NWB
Besteuerung von durch Untreue erlangte Einnahmen
Wed, 04 Jun 2025 08:06:00 +0200
Beteiligt sich der Steuerpflichtige an einer Untreue und erhält er von dem Begünstigten hierfür eine Beteiligung am Taterfolg, ist diese Beteiligung nicht einkommensteuerbar. Es handelt sich weder um sonstige Einkünfte noch um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Hintergrund: Zu den sonstigen Einkünften gehören Einkünfte aus Leistungen, die sich keiner anderen Einkunftsart zuordnen lassen und bei denen der Steuerpflichtige Geld für eine Leistung erhält.
Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der A-KG und dort für den Vertrieb zuständig. Ein wichtiger Kunde der A-KG war die E-GmbH, für die der H tätig war. Der Kläger und H kamen überein, dass der Kläger aus dem Vermögen der A-KG Geld an H zahlt, damit sich H dafür einsetzt, dass die E-GmbH Aufträge an die A-KG vergibt. H zahlte ab dem Streitjahr 2011 einen Teil der von der A-KG an ihn geleisteten Zahlungen an den Kläger zurück. Das Finanzamt erfasste die von H an den Kläger geleisteten Zahlungen als sonstige Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2011.
Entscheidung: Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt:
Sonstige Einkünfte sind zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige eine Leistung erbringt, die den anderen Einkunftsarten nicht zuzuordnen ist und die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Die Zahlung an den Steuerpflichtigen muss als echte wirtschaftliche Gegenleistung durch die Leistung des Steuerpflichtigen veranlasst und ausgelöst sein.
Bei den Rückzahlungen von H an den Kläger handelte es sich um einen von vornherein vereinbarten Anteil des Klägers an den Bestechungsgeldern für H. Die an den Kläger durch H geleisteten Zahlungen setzten die vereinbarte Beuteteilung um. Damit handelte es sich nicht um eine Gegenleistung des H für eine Leistung des Klägers, sondern lediglich um den Anteil des Klägers an der „Beute“; die Beute waren die rechtswidrig aus dem Vermögen der A-KG geflossenen Gelder an H.
Der Kläger erzielte auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Denn der Kläger hat keine Leistung an H erbracht.
Hinweise: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs sind Einnahmen, die durch Untreue oder Unterschlagung erlangt werden, in der Regel nicht steuerbar.
Als der Sachverhalt aufgedeckt wurde, wurde der Kläger von der A-KG im Jahr 2017 entlassen. Der Kläger verpflichtete sich in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht, die ihm von H geleisteten Zahlungen an die A-KG zurückzuzahlen. Er machte daher im Verfahren vor dem Finanzgericht hilfsweise geltend, die Rückzahlung an die A-KG im Jahr 2019 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, hilfsweise als Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen. Über die Hilfsanträge brauchte das FG nicht zu entscheiden, da es bereits die Steuerbarkeit der Zahlungen an den Kläger im Jahr 2011 verneinte.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 02.5.2024 – 4 K 84/23, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH: VI B 42/24); NWB
Umsatzsteuer-Umrechnungskurse Mai 2025
Tue, 03 Jun 2025 08:08:00 +0200
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Mai 2025 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2025 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 2.6.2025 - III C 3 - S 7329/00014/007/069 (COO.7005.100.3.12133851); NWB
Abfindung für Aufhebung eines Vorbehaltsnießbrauchs
Mon, 02 Jun 2025 08:23:00 +0200
Die an einen Nießbrauchsberechtigten gezahlte Abfindung für die Aufhebung eines Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH-Anteilen unterliegt nicht der Einkommensteuer, wenn der Nießbrauchsberechtigte nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile ist; am wirtschaftlichen Eigentum fehlt es, wenn sich der Nießbrauch nur auf das Gewinnbezugsrecht erstreckt, nicht aber auch auf das Stimmrecht und die sonstigen Mitverwaltungsrechte.
Hintergrund: Mit einem Nießbrauch wird einem Nicht-Eigentümer das Recht eingeräumt, die Nutzungen aus einer Sache oder aus einem Recht einzuziehen, z.B. die Miete eines Grundstücks oder die Dividenden aus GmbH-Anteilen. Von einem Vorbehaltsnießbrauch spricht man, wenn der Eigentümer einem Dritten, insbesondere einem Angehörigen, ein Grundstück oder GmbH-Anteile schenkt, sich aber den Nießbrauch vorbehält, also weiterhin die Nutzungen wie Miete oder Dividende erhalten will.
Sachverhalt: Die Klägerin war mit 49 % an der A-GmbH beteiligt. Im Jahr 2012 schenkte sie ihren beiden Töchtern jeweils die Hälfte ihrer Beteiligung, also jeder Tochter 24,5 %, und behielt sich einen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch erstreckte sich auf den Gewinn, nicht aber auf die Mitgliedschaftsrechte wie z.B. das Stimmrecht. Im Jahr 2019 wollten die Töchter ihre Anteile an der A-GmbH lastenfrei verkaufen. Sie zahlten daher der Klägerin eine Abfindung, damit die Klägerin ihren Nießbrauch an den Anteilen aufgibt. Das Finanzamt behandelte die Abfindung als steuerbare Entschädigung für entgehende Einnahmen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Eine Entschädigung für entgehende bzw. entgangene Einnahmen ist nur dann steuerbar, wenn die Einnahmen steuerpflichtig sind. Die Dividenden waren bei der Klägerin jedoch nicht steuerpflichtig.
Dividenden sind vom Anteilseigner zu versteuern. Dies erfordert das sog. wirtschaftliche Eigentum. Wirtschaftliches Eigentum an GmbH-Anteilen setzt voraus, dass der Erwerber eine rechtlich geschützte Position innehat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, dass ihm die mit dem GmbH-Anteil verbundenen wesentlichen Rechte wie z.B. das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht zustehen und dass das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
Im Streitfall hatte die Klägerin seit 2012 kein wirtschaftliches Eigentum mehr an den GmbH-Anteilen. Zwar hatte sie sich den Nießbrauch vorbehalten. Der Nießbrauch erstreckte sich jedoch nur auf das Gewinnbezugsrecht und nicht auf die Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht. Das Stimmrecht stand seit 2012 ihren Töchtern zu.
Die Abfindung war somit nicht steuerbar, da der Klägerin keine steuerpflichtigen Einnahmen entgingen.
Hinweise: Die Klägerin hatte auch nach der Übertragung der GmbH-Anteile auf ihre Töchter im Jahr 2012 die Dividenden versteuert. Dies war fehlerhaft, da ihr das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen seit 2012 gar nicht mehr zustand. Richtigerweise hätten ihre Töchter die Dividenden seit 2012 versteuern müssen.
Der BFH hält an seiner aktuellen Rechtsprechung zum Nießbrauchsrecht an GmbH-Anteilen fest und verlangt, dass sich der Nießbrauch auch auf die Mitverwaltungsrechte wie das Stimmrecht erstrecken muss. Anderenfalls ist der Vorbehaltsnießbrauch steuerlich nicht anzuerkennen.
Quelle: BFH, Urteil vom 11. Februar 2025 – IX R 14/24; NWB
Mietpreisbremse soll verlängert werden
Fri, 30 May 2025 08:40:00 +0200
Die neue Bundesregierung plant, die Mietpreisbremse über den 31.12.2025 hinaus bis zum 31.12.2029 zu verlängern.
Hintergrund: Bei der Mietpreisbremse handelt es sich um gesetzliche Regeln zur Miethöhe, deren Zweck es ist, den Anstieg der Wohnraummieten in den Ballungsräumen zu verlangsamen. Die Regeln wurden im Jahr 2015 eingeführt. Dort, wo die Mietpreisbremse Anwendung findet, gilt seither: Bei der Neuvermietung einer Wohnung darf die Miete zu Mietbeginn höchstens um 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Falls die Vormiete bereits über diesem Betrag lag, so ist grundsätzlich die Höhe der Vormiete für die Mietpreisbremse maßgeblich. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist Durchschnittsmiete für vergleichbare Wohnungen und wird anhand der tatsächlichen Marktlage ermittelt oder an dieser orientiert. Vielerorts geben Mietspiegel Auskunft über die ortsübliche Vergleichsmiete.
Hierzu führt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) weiter aus:
Die Mietpreisbremse gilt in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Die Landesregierungen können betreffende Gebiete durch Rechtsverordnung bestimmen.
Das geltende Recht sieht vor, dass Rechtsverordnungen, mit denen die Mietpreisbremse zur Anwendung gebracht wird, spätestens mit Ablauf des 31.12.2025 außer Kraft treten. Ohne eine Verlängerung fänden die Regeln über die Mietpreisbremse spätestens ab dem 1.1.2026 keine Anwendung mehr.
In ihrem jeweiligen Geltungsbereich hat die Mietpreisbremse den Mietanstieg zumindest moderat verlangsamt. Ein Auslaufen der Mietpreisbremse würde dazu führen, dass die die Mieten bei Wiedermietung schneller ansteigen würden. Das trifft insbesondere Menschen mit niedrigen Einkommen und kann zu einer beschleunigten Verdrängung führen.
Mit der nunmehr beschlossenen Formulierungshilfe soll die Verordnungsermächtigung für die Mietpreisbremse bis zum verlängert werden. Den Landesregierungen wird so ermöglicht, durch Rechtsverordnung auch über den 31.12.2025 hinaus Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu bestimmen, in denen die Mietpreisbremse zur Anwendung gelangen soll.
Hinweise: Die Verlängerung der Mietpreisbremse sollte eigentlich bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen werden. Wegen des vorzeitigen Endes der Regierungskoalition wurde das Gesetz allerdings nicht mehr verabschiedet. Das neue Gesetz soll nun in den Deutschen Bundestag eingebracht werden und muss das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.
Quelle: BMJV, Pressemitteilung v. 28.5.2025; NWB
Umsatzsteuerlicher Direktanspruch gegen das Finanzamt
Tue, 27 May 2025 10:50:00 +0200
Ein Unternehmer kann ausnahmsweise einen sog. umsatzsteuerlichen Direktanspruch gegen das Finanzamt haben, der zur Minderung seiner Umsatzsteuer führt. Dies setzt u.a. voraus, dass der Vertragspartner des Unternehmers in einer Rechnung an den Unternehmer zu Unrecht Umsatzsteuer für eine Leistung, die bereits erbracht oder aber noch zu erbringen ist, gesondert ausgewiesen hat. Hieran fehlt es, wenn der Vertragspartner in einer sog. Belastungsabrechnung nur einen Minus-Nettobetrag und eine Minus-Umsatzsteuer ausgewiesen hat.
Hintergrund: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der Unternehmer einen sog. Direktanspruch gegen das Finanzamt, wenn er zu viel Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner zahlt, weil dieser z.B. zu Unrecht den regulären Umsatzsteuersatz statt des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in Rechnung gestellt hat, und der Unternehmer den zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuerbetrag weder als Vorsteuer geltend machen kann noch von seinem Lieferanten zurückerhält, weil der Vertragspartner zahlungsunfähig ist oder die Einrede der Verjährung erhebt.
Sachverhalt: Die M-GmbH, die eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft der Klägerin war, hatte im Jahr 2006 Lieferungen an den Abnehmer A erbracht. Es kam im Jahr 2006 nun zu sog. „Belastungen“ des A an die M-GmbH. In diesen „Belastungen“ wurden in den Spalten mit den Überschriften „Nettobeträge“ und „Umsatzsteuer“-Beträge aufgeführt, die jeweils mit einem Minuszeichen versehen waren. Als Zahlungsgrund wurde in den „Belastungen“ ein „Grundbonus“ oder „Potentialbonus“ o.ä. genannt, der zu Zahlungen der M-GmbH an A führte. Die Klägerin machte die in den „Belastungen“ aufgeführten Minus-Umsatzsteuern vergeblich als Vorsteuer geltend; denn das Finanzamt ging von einer bloßen Entgeltminderung aus und verlangte von der Klägerin im Jahr 2016 eine entsprechende Nachzahlung. Die M-GmbH verlangte von A den Umsatzsteuerbetrag vergeblich zurück, da A bereits insolvent war. Daraufhin machte die Klägerin als umsatzsteuerliche Organträgerin einen Direktanspruch gegen das Finanzamt geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der sog. Direktanspruch des Unternehmers gegen das Finanzamt setzt u.a. voraus, dass sein Vertragspartner zu Unrecht Umsatzsteuer für eine Leistung, die bereits erbracht oder aber noch zu erbringen ist, gesondert ausgewiesen hat.
Hieran fehlte es. Denn A hat keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, sondern lediglich Nettobeträge sowie Umsatzsteuer jeweils mit einem Minusbetrag ausgewiesen. Außerdem ist auch nicht erkennbar, dass A eine Leistung an die M-GmbH erbracht hat. Denn in den „Belastungen“ wird lediglich ein „Grundbonus“ oder „Potentialbonus“ oder ein vergleichbarer Rabatt genannt, der aber keine Leistung darstellt.
Hinweise: Beim BFH hatte bereits der Insolvenzverwalter des A geklagt; der BFH hatte in jenem Verfahren entschieden, dass die „Belastungen“ keine Rechnungen darstellen; der BFH hält in seiner aktuellen Entscheidung an dieser Beurteilung fest.
Der Direktanspruch gegen das Finanzamt wird im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens, z.B. durch einen Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer oder auf Billigkeitsfestsetzung, geltend gemacht. Der Direktanspruch scheidet aus, wenn dem Unternehmer Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Quelle: BFH, Beschluss vom 05.12.2024 – V R 11/23; NWB
Geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft und körperschaftsteuerliche Organschaft
Mon, 26 May 2025 08:11:00 +0200
Eine geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft kann Organträger bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein, weil die geschäftsleitende Tätigkeit gewerblich ist. Es ist nicht erforderlich, dass die geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft noch konzernintern entgeltliche Dienstleistungen erbringt oder andere gewerbliche Aktivitäten ausübt.
Hintergrund: Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer oder mehrerer Organgesellschaften ermöglicht die Zusammenfassung der Ergebnisse der Gesellschaften des Organkreises, so dass z.B. der Verlust der Organgesellschaft mit dem Gewinn des Organträgers oder einer anderen Organgesellschaft verrechnet werden kann. Als Organträger kommen insbesondere natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften in Betracht. Nach dem Gesetz kann aber auch eine Personengesellschaft Organträger sein; dies setzt voraus, dass sie eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH. Nach einer Umstrukturierung war Alleingesellschafterin der Klägerin die X-KG, deren Gesellschafterin wiederum eine Stiftung war. Zwischen der Klägerin und der X-KG bestand ein Ergebnisabführungsvertrag, nach dem die Klägerin verpflichtet war, ihren gesamten Gewinn an die X-KG abzuführen. Die X-KG war insgesamt an neun Kapitalgesellschaften beteiligt; die X-KG und die neun Gesellschaften bildeten die X-Gruppe. Hauptgeschäftsführer der X-Gruppe waren im Streitjahr 2008 D, E und F, die u.a. auch Geschäftsführer der Klägerin und mindestens einer weiteren Tochterkapitalgesellschaft sowie Vorstand der Stiftung waren. Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der X-KG eine körperschaftsteuerliche Organschaft bestand, so dass die X-KG den Gewinn der Klägerin versteuern musste, nicht aber die Klägerin selbst. Das Finanzamt erkannte die Organschaft nicht an, weil es eine gewerbliche Tätigkeit der X-KG verneinte; es erfasste daher die Gewinnabführung der Klägerin an die X-KG als verdeckte Gewinnausschüttung.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die X-KG war Organträger, weil sie als geschäftsleitende Holding gewerblich tätig war. Wird die Holding nach außen erkennbar leitend tätig, nimmt sie am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil und erfüllt damit auch das Merkmal einer gewerblichen Tätigkeit.
Die geschäftsleitende Tätigkeit ergibt sich im Streitfall daraus, dass sich die Geschäftsführer D, E und F alle 14 Tage zu Geschäftsführersitzungen trafen, dabei das Tagesgeschäft der Gesellschaften besprachen und auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage diskutierten und beschlossen.
Für die gewerbliche Tätigkeit der X-KG ist nicht erforderlich, dass sie zusätzlich zur geschäftsleitenden Holdingtätigkeit noch konzernintern entgeltliche Dienstleistungen erbringt oder andere gewerbliche Aktivitäten ausübt.
Hinweise: Der BFH widerspricht mit seinem aktuellen Urteil der Auffassung des Bundesfinanzministeriums, das allein eine geschäftsleitende Holdingtätigkeit nicht für ausreichend hält, sondern noch weitere gewerbliche Tätigkeiten verlangt.
Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH die Frage, ob eine geschäftsleitende Holding nur dann als gewerblich anzusehen ist, wenn sie an mindestens zwei Tochtergesellschaften beteiligt ist oder ob die Beteiligung an nur einer Tochtergesellschaft genügt. Diese Frage war im Streitfall nicht relevant, da die X-KG an insgesamt neun Tochtergesellschaften beteiligt war.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – I R 23/21; NWB
Darlehensgewährung eines Gesellschafters an die vermögensverwaltende Personengesellschaft
Fri, 23 May 2025 08:02:00 +0200
Gewährt der Gesellschafter einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und somit vermögensverwaltend tätig ist, der vermögensverwaltenden Personengesellschaft ein verzinsliches Darlehen, wird das Darlehen steuerlich nicht anerkannt, soweit der Gesellschafter beteiligt ist. In diesem Umfang sind auch die Zinsen, die die vermögensverwaltende Personengesellschaft an den Gesellschafter zahlt, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Hintergrund: Im Steuerrecht gibt es zwei verschiedene Gruppen von Einkunftsarten: zum einen die sog. Gewinneinkünfte, zu denen die „unternehmerischen“ Einkünfte wie z.B. aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit gehören, und zum anderen die sog. Überschusseinkünfte, zu denen z.B. Vermietungseinkünfte oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Diese Unterscheidung gilt auch für Personengesellschaften, so dass Personengesellschaften entweder Gewinneinkünfte oder Überschusseinkünfte erzielen können.
Sachverhalt: Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die Vermietungseinkünfte erzielte und damit vermögensverwaltend tätig war. Eine sog. gewerbliche Prägung, die zu Gewinneinkünften (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) geführt hätte, lag nicht vor, da nicht nur die Komplementär-GmbH, sondern auch die Kommanditistin F zur Geschäftsführung befugt war. Die Beteiligungsquote der F betrug 100 %. F gewährte der Klägerin im Juni 2012 ein verzinsliches Darlehen. Die Klägerin zahlte hierfür im Jahr 2012 Zinsen und machte diese als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Das Darlehen war steuerlich nicht anzuerkennen, da die F als Darlehensgeberin zu 100 % an der Klägerin als Darlehensnehmerin beteiligt war.
Da die Klägerin Überschusseinkünfte erzielte, nämlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, galt für sie die sog. Bruchteilsbetrachtung, nach der die Wirtschaftsgüter der Klägerin den Gesellschaftern im Umfang ihrer Beteiligungsquote direkt zugerechnet werden. Da nur F am Vermögen der Klägerin beteiligt war, war ihr die Darlehensverbindlichkeit steuerlich zu 100 % zuzurechnen; zugleich war F aber auch Darlehensgeberin, so dass im Ergebnis Gläubiger und Schuldner ein und dieselbe Person waren, nämlich F.
Die von der Personengesellschaft gezahlten Darlehenszinsen wurden steuerlich damit als Zinsen angesehen, die von F als alleinige Gesellschafterin der Klägerin gezahlt werden, und zwar an F als Darlehensgeberin. Ein Werbungskostenabzug war somit nicht möglich. Die an F geflossenen Zinsen stellten ein sog. Ergebnisvorab der F dar, wurden also wie ein Anteil der F am Überschuss der Klägerin behandelt.
Hinweise: Wäre die F nur zu 40 % an der Klägerin beteiligt gewesen, wären die Zinsen, die die Klägerin an F gezahlt hat, zu 60 % als Werbungskosten abziehbar und zu 40 % - im Umfang der Beteiligungsquote der F – nicht abziehbar gewesen.
Wenn die Gläubigerstellung mit der Schuldnerstellung zusammenfällt, erlischt die Forderung und Verbindlichkeit durch sog. Konfusion. Eine Zinszahlung ist dann nicht mehr möglich. Dieses Ergebnis trat im Streitfall ein und beruhte darauf, dass die vermögensverwaltende (vermietende) Personengesellschaft aufgrund der sog. Bruchteilsbetrachtung als transparent behandelt wird. Dementsprechend werden auch Mietverträge zwischen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerlich nicht anerkannt, soweit der mietende Gesellschafter an der Personengesellschaft und damit am Grundstück beteiligt ist.
Das Ergebnis wäre anders ausgefallen, wenn die Klägerin Gewinneinkünfte erzielt hätte, z.B. aufgrund einer gewerblichen Prägung, wenn nur die Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung berechtigt gewesen wäre. Die Personengesellschaft wäre steuerlich dann als Mitunternehmerschaft anzusehen gewesen, so dass die Bruchteilsbetrachtung durch die Regeln über die Mitunternehmerschaft verdrängt worden wäre. Rechtsbeziehungen zwischen der Mitunternehmerschaft und dem Mitunternehmer (Gesellschafter) würden dann anerkannt werden, so dass die Klägerin die Zinsen als Betriebsausgaben hätte abziehen können. Allerdings würden die Zinseinnahmen der F als sog. Sonderbetriebseinnahmen und damit den Gewinneinkünften zugerechnet werden. Die F müsste also gewerbliche Zinseinkünfte versteuern, so dass z. B. die Abgeltungsteuer von 25 % für sie nicht gelten würde.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – I R 19/21; NWB
Entfernungspauschale für Fahrten des Piloten zum Flughafen
Tue, 20 May 2025 08:01:00 +0200
Ein Pilot einer Fluggesellschaft kann für seine Fahrten von seiner Wohnung zum Flughafen, an dem er stationiert ist, nur die Entfernungspauschale geltend machen. Denn bei dem Stationierungsflughafen handelt es sich um seine sog. erste Tätigkeitsstätte.
Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte können Arbeitnehmer nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer für die ersten 20 Kilometer und für jeden weiteren Entfernungskilometer 0,38 Euro im Zeitraum 2022 bis 2026 geltend machen.
Sachverhalt: Der Kläger war Pilot bei einer Fluggesellschaft und dem Stationierungsflughafen in B-Stadt zugewiesen. Er musste knapp zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein, um dort den Flug vorzubereiten. Für das Streitjahr 2018 machte der Kläger 73 Fahrten von seiner Wohnung zum 150 km entfernten Flughafen nach B-Stadt für die Hin- und Rückfahrt mit einer Pauschale von 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer (300 km für Hin- und Rückfahrt) geltend. Das Finanzamt erkannte lediglich die Entfernungspauschale für 150 km x 0,30 € für 73 Fahrten an.
Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) wies die Klage ab:
Bei dem Stationierungsflughafen in B-Stadt handelte es sich um die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, so dass nur die Entfernungspauschale pro Entfernungskilometer und nicht die Kosten für die Hin- und Rückfahrt anzusetzen waren.
Der Kläger war dem Flughafen in B-Stadt arbeitsrechtlich dauerhaft zugeordnet. Unbeachtlich ist, dass der Kläger nicht jeden Tag zum Stationierungsflughafen gefahren ist und dass er vom Stationierungsflughafen in B-Stadt auch die sog. Dead-Head-Flüge angetreten ist, bei denen er wie ein normaler Passagier zu einem anderen Flughafen geflogen ist, um von dort aus als Pilot seinen Flug anzutreten.
Eine erste Tätigkeitsstätte erfordert, dass der Arbeitnehmer an dieser zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten ausführt, die er arbeitsrechtlich schuldet. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, da der Kläger am Flughafen die Sicherheitskontrolle durchlief, sich mit seiner Crew auf den Flug vorbereitete, die Flugsicherheit prüfte und gelegentlich einen Alkohol- und Drogentest absolvieren musste.
Hinweise: Das Urteil betrifft die Rechtslage ab 2014. Zur früheren Rechtslage hatte der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass das Cockpit eines Piloten mangels Ortsfestigkeit keine regelmäßige Arbeitsstätte ist. Nach dem aktuellen Urteil des FG Köln kommt es hingegen auf die Ortsfestigkeit des Flughafengeländes an.
Gegen das Urteil ist Revision beim BFH eingelegt worden.
Quelle: FG Köln, Urteil vom 4.12.2024 – 12 K 1369/21, Rev. beim BFH: VI R 4/25; NWB
Vorsicht Falle: Betrugsversuche im Namen des Bundeszentralamtes für Steuern
Mon, 19 May 2025 16:13:00 +0200
Aktuell warnt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vor neuen Betrugsversuchen, die per E-Mail sowie teilweise auch per Post im Namen des BZSt versendet werden.
Rückzahlung der Einkommensteuer Die Empfänger erhalten von E-Mail-Adressen wie z. B. bzst-poststelle@bzst.de, teilweise auch mit der Domain-Endung "bzst.bund.de", die eine offizielle E-Mail-Adresse des BZSt suggerieren, eine betrügerische E-Mail. Es wird angegeben, dass eine Rückerstattung der Einkommensteuer vorgesehen und hierfür eine Identifizierung erforderlich ist.
Angeblicher Verspätungszuschlag Die Empfänger erhalten von der Absender-Adresse "info@bzst-zahlungsfrist.com" bzw. von ähnlichen E-Mail-Adressen, die eine offizielle E-Mail-Adresse des BZSt suggerieren, eine betrügerische E-Mail. Der E-Mail ist teilweise ein pdf-Dokument beigefügt, bei dem es sich angeblich um einen Bescheid vom BZSt handeln soll. Teilweise gehen diese Schreiben auch auf postalischem Wege ein.
Bescheid per E-Mail Die Empfänger erhalten von der Absender-Adresse „news@bzst-infos.de“ eine betrügerische E-Mail. Der E-Mail ist ein pdf-Dokument beigefügt, bei dem es sich angeblich um einen Bescheid vom BZSt handeln soll.
Hinweis: Das BZSt empfiehlt Betroffenen, die beigefügte Dokumente nicht zu öffnen und die E-Mails unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen zu aktuellen Betrugsversuchen finden Sie auf der Homepage des BZSt.
Quelle: BZSt, Meldung v. 16.5.2025; NWB
Unentgeltliche Betriebsübertragung an Kind unter Vorbehaltsnießbrauch
Mon, 19 May 2025 08:42:00 +0200
Bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch, bei der der bisherige Betriebsinhaber den Betrieb fortführt, kann der Übernehmer des Betriebs nicht die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers fortführen. Vielmehr gehören die auf den Übernehmer übertragenen Wirtschaftsgüter nun zum Privatvermögen des Übernehmers. Bei einem späteren Wegfall des Nießbrauchs und der Fortführung des Betriebs durch den Übernehmer sind die Wirtschaftsgüter nun in das Betriebsvermögen des Übernehmers mit dem Teilwert einzulegen.
Hintergrund: Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, kann der Erwerber nach dem Gesetz die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers fortführen. Es müssen also keine stillen Reserven, d.h. die Differenz zwischen dem tatsächlichen (höheren) Wert und dem Buchwert, aufgedeckt und versteuert werden.
Sachverhalt: Die Mutter des Klägers war bis 1995 Inhaberin eines Einzelunternehmens. Zum 31.12.1995 übertrug sie ihren Betrieb unentgeltlich auf ihren Sohn, den Kläger, behielt sich den Nießbrauch vor (sog. Vorbehaltsnießbrauch) und führte den Betrieb fort. Nach dem Übergabevertrag gingen Gefahr, Nutzen und Lasten des Betriebs auf den Kläger über. Zum 31.12.1999 nahm die Mutter auf Forderungen, die bis zum 31.12.1997 entstanden waren, eine Teilwertabschreibung vor. Zum 31.12.2002 verzichtete die Mutter auf ihren Nießbrauch. Der Kläger führte den Betrieb ab dem 1.1.2003 fort. Zum 31.12.2004 wurden die Forderungen, auf die die Mutter zum 31.12.1997 Teilwertabschreibungen vorgenommen hatte, wieder werthaltig, weil die Überschuldung des Schuldners im Jahr 2004 wegfiel. Das Finanzamt erhöhte daher den Gewinn des Klägers im Jahr 2004, der hiergegen klagte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine gewinnerhöhende Wertaufholung nur dann für möglich, wenn die Forderungen nach der Betriebsübertragung am 31.12.1995 entstanden sind. Die Richter verwiesen die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Sollten die Forderungen bis zum 31.12.1995 entstanden sein, scheidet eine Wertaufholung beim Kläger aus.
Die Forderungen wären dann aufgrund der Betriebsübertragung auf den Kläger übergegangen, da der Kläger nicht nur das zivilrechtliche Eigentum an den Wirtschaftsgütern erhalten hatte, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum; denn Gefahr, Nutzen und Lasten des Betriebs sollten nach dem Übertragungsvertrag auf den Kläger übergehen.
Die auf den Kläger übergegangenen Forderungen wären seinem Privatvermögen zuzurechnen gewesen, da der Kläger den Betrieb nicht fortgeführt hat. Die bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung mögliche Buchwertfortführung wäre nicht anwendbar, da sie nach der Rechtsprechung voraussetzt, dass der bisherige Betriebsinhaber seine betriebliche Tätigkeit einstellt.
Mit dem Verzicht auf das Nießbrauchsrecht zum 31.12.2002 und der nun erfolgten Betriebsfortführung durch den Kläger waren die Forderungen ab 1.1.2003 dem Betriebsvermögen des Klägers zuzurechnen und mit dem Teilwert einzulegen. Der Teilwert bildet die Obergrenze für die Aktivierung der Forderungen, so dass eine Erhöhung dieses Wertes durch eine Wertaufholung im Jahr 2004 infolge des Wegfalls der Überschuldung beim Schuldner nicht zulässig wäre.
Sollten die Forderungen nach dem 31.12.1995 entstanden sein, wäre eine Wertaufholung hingegen denkbar.
Die Forderungen wären dann im Betriebsvermögen der Mutter ab 1996 entstanden und wären zum 31.12.1997 aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung teilweise abgeschrieben worden.
Aufgrund des Verzichts der Mutter auf ihr Nießbrauchsrecht zum 31.12.2002 wären die (abgeschriebenen) Forderungen nun zum (niedrigen) Buchwert auf den Kläger übergegangen. Denn nun kam es zu einem Übergang des Betriebs, da der Kläger den Betrieb fortführte.
Infolge der Buchwertfortführung wurde der Kläger nun bilanziell Rechtsnachfolger seiner Mutter. Er hätte daher auch eine Wertaufholung gewinnerhöhend vornehmen müssen, wenn sie nach dem 31.12.2002 eingetreten ist.
Hinweise: Das FG muss nun aufklären, wann die streitigen Forderungen entstanden sind und ob es – falls die Forderungen nach dem 31.12.1995 entstanden sind – zu einer Wertaufholung gekommen ist.
Der BFH bestätigt seine aktuelle Rechtsprechung, nach der eine unentgeltliche Betriebsübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch nicht zur Buchwertfortführung führt, wenn der Vorbehaltsnießbraucher seine betriebliche Tätigkeit nicht aufgibt, sondern fortführt. Erst das spätere Erlöschen des Nießbrauchs durch Tod oder Verzicht ermöglicht eine Buchwertfortführung, wenn der Erwerber den Betrieb nun fortführt.
Vom Vorbehaltsnießbrauch, bei dem das Eigentum an den Wirtschaftsgütern übertragen wird und der bisherige Eigentümer sich den Nießbrauch vorbehält, zu unterscheiden ist der sog. Zuwendungsnießbrauch, bei dem der bisherige Betriebsinhaber den Betrieb zivilrechtlich behält, aber einem anderen den Nießbrauch einräumt, der nun das Unternehmen führt. Hier ist eine Buchwertfortführung durch den Nießbrauchsberechtigten möglich.
Quelle: BFH, Urteil vom 29.1.2025 – X R 35/19; NWB
Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters bei Fortführung des Unternehmens durch den Verwalter
Fri, 16 May 2025 08:12:00 +0200
Führt der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen fort, richtet sich der Umfang des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung des Insolvenzverwalters nach dem Verhältnis der vom Insolvenzverwalter getätigten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zum Gesamtumsatz während des Insolvenzzeitraums. Unerheblich ist das Verhältnis der zur Insolvenztabelle angemeldeten unternehmerischen Insolvenzforderungen zu dem angemeldeten Gesamtforderungsbetrag, in dem auch private Insolvenzforderungen enthalten sind.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Tätigt der Unternehmer sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Umsätze, muss die Vorsteuer aufgeteilt werden. Sie ist nur in dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt.
Sachverhalt: U war selbständiger IT-Administrator. Über sein Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Zur Insolvenztabelle wurden sowohl private als auch unternehmerische Insolvenzforderungen angemeldet; dabei betrug der Anteil der unternehmerischen Insolvenzforderungen zu dem angemeldeten Gesamtforderungsbetrag lediglich rund 17 %. Der Kläger führte als Insolvenzverwalter das Unternehmen des U fort und erzielte während des Insolvenzverfahrens Umsätze in Höhe von ca. 250.000 €. Der Kläger erzielte dabei überwiegend (ca. 97 %) umsatzsteuerpflichtige Umsätze und nahm nur in geringfügigem Umfang Verwertungshandlungen vor, bei denen er Wirtschaftsgüter veräußerte, um die Gläubiger zu befriedigen. Der Kläger berechnete für seine Insolvenzverwaltertätigkeit eine Vergütung von ca. 21.000 € zzgl. ca. 4.000 € Umsatzsteuer und machte die Umsatzsteuer im Umfang von 97 % als Vorsteuer des U geltend. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug hingegen nur im Umfang von 17 % an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Vorsteuer ist zwar nicht vollständig abziehbar, weil nicht ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt wurden. Der Vorsteuerabzug ist aber im Umfang von 97 % möglich, weil der Kläger als Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens ganz überwiegend umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt hat.
Maßgeblich für den Umfang des Vorsteuerabzugs ist das Verhältnis der vom Kläger im Insolvenzzeitraum ausgeführten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zum Gesamtumsatz. Denn der Kläger hat das Unternehmen des U fortgeführt, da er in erheblichem Umfang Umsätze aus der bisherigen Tätigkeit im IT-Bereich erzielt und so gut wie keine Verwertungshandlungen vorgenommen hat. Der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz im Insolvenzzeitraum betrug ca. 97 %, so dass der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters in diesem Umfang möglich war.
Hinweise: Anders wäre die Entscheidung ausgefallen, wenn U sein Unternehmen bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt hätte. In diesem Fall wäre es auf das Verhältnis der bis zur Einstellung getätigten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zu dem bis dahin getätigten Gesamtumsatz angekommen.
Für die Annahme der Unternehmensfortführung spricht neben der eigentlichen Fortführung der bisherigen Tätigkeit, wenn das Vermögen nicht verwertet wird oder wenn in einem Insolvenzplan eine Regelung zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.
Quelle: BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 20/22; NWB
Kein Werbungskostenabzug für Umzug zur Begründung eines häuslichen Arbeitszimmers
Wed, 14 May 2025 09:33:00 +0200
Die Kosten eines Arbeitnehmers für den Umzug in eine größere Wohnung, um dort erstmals ein häusliches Arbeitszimmer begründen zu können, sind nicht als Werbungskosten absetzbar. Denn ein Umzug in eine größere Wohnung ist stets auch privat veranlasst.
Hintergrund: Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten abziehbar.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und als Arbeitnehmer in Hamburg beschäftigt. Sie lebten mit ihrer fünf Jahre alten Tochter in einer 65 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung, in der es kein häusliches Arbeitszimmer gab. Zum 30.6.2020 wechselte der Kläger den Arbeitgeber. Um auch von zu Hause aus arbeiten zu können, zogen die Kläger zum Juli 2020 in eine ca. 110 qm große Fünf-Zimmer-Wohnung um, in der sie zwei häusliche Arbeitszimmer einrichteten. Die Kläger machten die Umzugskosten in Höhe von ca. 4.200 € als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Grundsätzlich sind Umzugskosten privat veranlasst und daher nicht als Werbungskosten abziehbar.
Ausnahmsweise können Umzugskosten jedoch als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der entscheidende Grund für den Umzug die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers ist und wenn private Umstände eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Dies ist etwa der Fall, wenn sich aufgrund des Umzugs die tägliche Fahrzeit zur Arbeit um mindestens eine Stunde verkürzt. Auch der Auszug aus einer Dienstwohnung bzw. der Einzug in eine Dienstwohnung können hierzu gehören.
Die berufliche Veranlassung muss sich aber auf objektiv feststellbare Umstände stützen lassen. Dies erfordert das Gebot der Rechtssicherheit. Allein die Absicht, erstmals über ein häusliches Arbeitszimmer verfügen zu können, genügt nicht, weil die Wahl einer Wohnung auch vom Geschmack, von den Lebensgewohnheiten, den finanziellen Mitteln und der familiären Situation abhängig ist. So konnten die Kläger jetzt z.B. ihr neues Wohnzimmer ausschließlich für private Zwecke nutzen und mussten es nicht mit einer oder gar zwei Arbeitsecken ausstatten. Daher sind die entstandenen Umzugskosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als Werbungskosten abziehbar.
Hinweise: Abziehbar waren im Streitfall jedoch die Kosten für die häuslichen Arbeitszimmer.
Die Entscheidung des BFH ist nicht unproblematisch, weil sich die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer seit der Corona-Krise geändert haben. Zunehmend wird von Arbeitnehmern erwartet, dass sie im häuslichen Arbeitszimmer arbeiten. Dies galt insbesondere im Streitjahr 2020, als die Corona-Krise begann. Der BFH sieht in seiner aktuellen Entscheidung diese Problematik durchaus, verneint aber dennoch eine maßgebliche berufliche Veranlassung des Umzugs.
Quelle: BFH, Urteil vom 5.2.2025 – VI R 3/23; NWB
Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters bei vorheriger Unternehmenseinstellung
Tue, 13 May 2025 08:03:00 +0200
Stellt der Insolvenzverwalter dem in Insolvenz geratenen Unternehmer eine Rechnung für die Insolvenzverwaltertätigkeit aus, ist die Vorsteuer, die sich aus der Rechnung ergibt, in dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer bis zur Einstellung seiner Tätigkeit umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat. Es kommt also nicht auf den während des Insolvenzverfahrens erzielten Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz an.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Tätigt der Unternehmer sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Umsätze, muss die Vorsteuer aufgeteilt werden und ist nur in dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt.
Sachverhalt: U war Bauunternehmer und stellte aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage sein Unternehmen ein. Über das Vermögen des U wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Bis zur Unternehmenseinstellung betrug der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des U an seinem Gesamtumsatz 45 %. Der Kläger als Insolvenzverwalter begann nun mit der Abwicklung der noch nicht abgeschlossenen Bauvorhaben, schloss mit den Auftraggebern Aufhebungsvereinbarungen und verwertete das Vermögen, um die Gläubiger des U zu befriedigen; der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz in der Zeit des Insolvenzverfahrens betrug nur 1,43 %. Anschließend stellte der Kläger seine Insolvenzverwaltertätigkeit dem U in Rechnung (ca. 90.000 € zzgl. ca. 17.00 € Umsatzsteuer) und gab für U eine Umsatzsteuererklärung ab, in der er die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von 17.000 € zu 45 % als Vorsteuer geltend machte. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nur im Umfang von 1,43 % an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und erkannte die Vorsteuer zu 45 % an:
Für den Umfang des Vorsteuerabzugs kommt es auf den Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz an.
Hat der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt, ist es sachgerecht, auf das Verhältnis der Umsätze aus der Zeit bis zur Unternehmenseinstellung abzustellen. Es besteht dann nämlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, die aus der Zeit bis zur Unternehmenseinstellung begründet worden sind.
Auf die Umsätze des Insolvenzverwalters aus den Verwertungshandlungen während des Insolvenzverfahrens kommt es nicht an. Daher mindern umsatzsteuerfreie Grundstücksverkäufe des Insolvenzverwalters nicht den Umfang des Vorsteuerabzugs.
Hinweise: Anders wäre der Fall zu entscheiden gewesen, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen des U fortgeführt hätte. Entscheidend wäre dann das Verhältnis der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des Insolvenzverwalters zum Gesamtumsatz aus der Zeit der Insolvenz gewesen. Dem Kläger als Insolvenzverwalter ging es aber nicht um die Fortführung des Unternehmens des U, sondern um die Befriedigung der Gläubiger, da er das Vermögen verwertete und die bereits angefangenen Aufträge nicht zu Ende führte, sondern Aufhebungsvereinbarungen mit den Auftraggebern schloss.
Ob eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter beabsichtigt ist, kann sich insbesondere aus einem Insolvenzplan ergeben.
Quelle: BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 8/22; NWB
Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge seit Beginn des Kriegs in der Ukraine
Mon, 12 May 2025 08:21:00 +0200
Die Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat bzw. 12 % pro Jahr ist verfassungsgemäß, da jedenfalls seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Marktzinsen deutlich und dauerhaft gestiegen sind.
Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des rückständigen Betrags verwirkt (jährlich 12 %). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert. Für Säumniszuschläge bleibt es aber bei dem Satz von 1 % pro Monat. Ob diese Höhe verfassungskonform ist, ist umstritten.
Sachverhalt: Der Antragsteller erhielt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017, aus dem sich eine Nachzahlung in Höhe von ca. 190.000 € ergab. Er beantragte zunächst mit Erfolg die Aussetzung der Vollziehung, so dass keine Säumniszuschläge verwirkt wurden. Das Finanzamt widerrief jedoch mit Wirkung zum 19.3.2022 die Aussetzung der Vollziehung und machte die weitere Gewährung der Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 108.000 € abhängig. Hierzu teilte es dem Antragsteller mit, dass die Aussetzung der Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt werde, sofern die Sicherheitsleistung erbracht werde. Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und dem Finanzamt wurde am 20.12.2022 eine Grundschuld auf einem Grundstück zugunsten des Finanzamts eingetragen. Das Finanzamt gewährte nun erneut eine Aussetzung der Vollziehung, aber nur mit Wirkung ab dem 20.12.2022. Dies führte dazu, dass der Antragsteller Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 19.3.2022 bis zum 19.12.2022 in Höhe von ca. 17.000 € zahlen sollte. Er beantragte einen Abrechnungsbescheid und anschließend die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids statt:
Zwar ist die Höhe der Säumniszuschläge verfassungsgemäß. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Säumniszuschläge auch eine Gegenleistung für den Liquiditätsvorteil für den Steuerpflichtigen darstellen, wäre die Höhe von 12 % pro Jahr nicht unverhältnismäßig. Denn jedenfalls seit Beginn des Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt, ist die Niedrigzinsphase beendet worden. So sind z.B. die Zinssätze für private Überziehungskredite von 6,95 % im Februar 2022 auf 8,33 % im Dezember 2022 gestiegen. Ein im Säumniszuschlag enthaltener Gegenleistungsanteil wäre daher nicht mehr realitätsfremd.
Es bestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids, insbesondere hinsichtlich des Beginns der gewährten Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt hat die erneute Aussetzung nämlich erst mit Wirkung ab dem 20.12.2022 ausgesprochen. Allerdings spricht einiges dafür, dass die (erneute) Aussetzung der Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit, also rückwirkend ab Fälligkeit, gewährt wurde, so dass keine Säumniszuschläge verwirkt wurden. Denn das Finanzamt hat beim Widerruf der Aussetzung der Vollziehung selbst ausgeführt, dass die Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt wird, sofern die Sicherheitsleistung erbracht wird. Da die Sicherheitsleistung durch Eintragung einer Grundschuld erbracht wurde, ist von einer rückwirkenden Aussetzung der Vollziehung auszugehen.
Hinweise: Über die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen kann abschließend nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der BFH geht bislang überwiegend von einer Verfassungsmäßigkeit aus. Hierzu passt auch das aktuelle Urteil, in dem der BFH nun erstmalig auf die gestiegenen Zinsen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hinweist.
Geht man davon aus, dass in den Säumniszuschlägen keine Gegenleistung für den Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen enthalten ist, stellt der Säumniszuschlag nur ein Druckmittel dar, um den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung zu bewegen. Auf die Höhe der Zinsen am Markt und auf ein etwaiges Ungleichgewicht zwischen der Höhe des Säumniszuschlags und der Marktzinsen kommt es dann nicht an.
Quelle: BFH, Beschluss vom 21.3.2025 – X B 21/25 (AdV); NWB
Unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
Fri, 09 May 2025 08:16:00 +0200
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen verwendet werden. Dies dient einer realitätsgerechten Bewertung, da Frauen länger leben als Männer.
Hintergrund: Für die Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen wie z.B. von Nießbrauchsrechten, die dem Nießbrauchsberechtigten bis zum Tod zustehen sollen, muss ein Kapitalwert ermittelt werden. Hierfür wird ein Jahreswert der Nutzung ermittelt und mit einem Vervielfältiger multipliziert. Dieser Vervielfältiger wird anhand der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes ermittelt. Die Sterbetafel unterscheidet zwischen Männern und Frauen.
Sachverhalt: Ein 74 Jahre alter Vater übertrug seinen drei Kindern, einem Sohn (Kläger) und zwei Töchtern, im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge GmbH-Anteile, behielt sich aber einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Das für die GmbH zuständige Finanzamt bewertete die Anteile mit einem Wert von ca. 780.000 €. Das für die Besteuerung des Sohns (Klägers) zuständige Finanzamt zog hiervon den Wert des Nießbrauchs in Höhe von ca. 350.000 € ab, so dass sich für den Sohn ein Wert der Schenkung in Höhe von ca. 430.000 € ergab. Bei der Bewertung des Nießbrauchs wandte das Finanzamt die für den Bewertungsstichtag maßgebliche Sterbetafel für Männer an und gelangte zu einem Vervielfältiger von 8,431 (verbleibende Lebenserwartung für 74 Jahre alte Männer 11,21 Jahre). Der Kläger machte geltend, dass sich nach der Sterbetafel für Frauen ein höherer Vervielfältiger und damit auch ein höherer Abzug ergeben würde, der Wert der Schenkung also geringer ausfalle.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage des Sohnes ab:
Die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile vom Vater auf den Sohn war schenkungsteuerbar.
Der Wert der übertragenen GmbH-Anteile wurde von dem für die GmbH zuständigen Finanzamt mit 780.000 € festgestellt. Dieser Wert wurde durch den Nießbrauch des Vaters gemindert.
Bei der Bewertung des Nießbrauchs waren die Sterbetafeln für Männer anzusetzen, da der Vater ein Mann war. Zwar führen die Sterbetafeln zu einer geschlechterbedingten Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung ist aber verfassungsrechtlich gefertigt; denn die unterschiedlichen Sterbetafeln für Männer und Frauen ermöglichen eine gleichheitsgerechte Belastung der Steuerpflichtigen, weil so die Werte der geschenkten Vermögensgegenstände zutreffend und realitätsgerecht abgebildet werden können; denn Männer leben nicht so lange wie Frauen, so dass sie die ihnen eingeräumte Nutzung und Leistung nicht so lange nutzen können wie eine Frau.
Hinweise: Frauen leben etwa fünf Jahre länger als Männer. Daher ist es gerecht, einen Nießbrauch, der einer Frau lebenslang eingeräumt wird, höher zu bewerten als einen Nießbrauch, der einem Mann lebenslang eingeräumt wird. Denn ein 74 Jahre alter Mann wird den Nießbrauch statistisch gesehen fünf Jahre weniger nutzen.
Die Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln für Männer und Frauen kann sich für den Steuerpflichtigen mal günstiger und mal ungünstiger auswirken. Wird ein Nießbrauch einer Frau lebenslang zugewendet, muss diese einen höheren Kapitalwert versteuern als ein Mann, der einen Nießbrauch bis zum Lebensende erhält. Im Streitfall wirkte es sich aber zum Nachteil des Klägers aus, dass der Schenker ein Mann war und sich einen lebenslangen Nießbrauch vorbehielt. Dafür wird der Kläger die GmbH-Anteile statistisch betrachtet fünf Jahre früher unbelastet nutzen können.
Würde der Nießbrauch bei dem 74 Jahre alten Vater nicht länger als fünf Jahre bestehen, könnte die Schenkungsteuerfestsetzung nach dem Gesetz auf Antrag berichtigt werden. Fällt der Nießbrauch weg, ist ein Antrag nicht erforderlich.
Quelle: BFH, Urteil vom 20.11.2024 – II R 38/22; NWB
Höhe des verrechenbaren Verlustes bei einer KG nach Bildung eines Investitionsabzugsbetrags
Wed, 07 May 2025 10:03:00 +0200
Wird nach Bildung eines Investitionsabzugsbetrags die Investition durchgeführt und der Investitionsabzugsbetrag außerbilanziell hinzugerechnet, mindert diese außerbilanzielle Hinzurechnung nicht den verrechenbaren Verlust des Kommanditisten. Denn die außerbilanzielle Hinzurechnung wirkt sich nicht auf das Kapitalkonto des Kommanditisten aus, das für die Höhe des verrechenbaren Verlustes maßgeblich ist.
Hintergrund: Der Gesetzgeber schränkt den Verlustausgleich von Kommanditisten ein, da diese nur beschränkt in Höhe ihrer Einlage haften. Ein Verlustanteil aus der KG-Beteiligung ist mit anderen positiven Einkünften nur so lange uneingeschränkt ausgleichsfähig, wie das Kapitalkonto des Kommanditisten positiv ist. Soweit sein Kapitalkonto negativ ist oder durch den Verlustanteil negativ wird, ist der Verlustanteil grundsätzlich nur verrechenbar und kann nur mit künftigen Gewinnanteilen aus der KG verrechnet werden.
Unternehmer können unter bestimmten Voraussetzungen einen Investitionsabzugsbetrag für künftige Investitionen in Höhe von 50 % der künftigen Anschaffungskosten gewinnmindernd bilden. Wird die Investition dann durchgeführt, kann der Unternehmer den Investitionsabzugsbetrag wieder gewinnerhöhend hinzurechnen und anschließend eine Abschreibung in dieser Höhe auf das Wirtschaftsgut vornehmen. Im Ergebnis handelt es sich bei dem Investitionsabzugsbetrag also um eine vorgezogene hohe Abschreibung.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist B war. Die Klägerin hatte im Jahr 2015 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 16.000 € für die künftige Anschaffung eines Pkw gebildet, den sie im Streitjahr 2018 erwarb. Die Klägerin rechnete den Investitionsabzugsbetrag im Jahr 2018 außerbilanziell in Höhe von 16.000 € wieder hinzu und kürzte anschließend die Anschaffungskosten für den Pkw sowie für weitere angeschaffte Wirtschaftsgüter in Höhe von insgesamt 16.000 €. Für das Streitjahr 2018 ergab sich aus der Bilanz der Klägerin ein Verlust, der durch die außerbilanzielle Hinzurechnung um 16.000 € gemindert wurde. Bei der Berechnung des verrechenbaren Verlustes berücksichtigte das Finanzamt aber nicht die außerbilanzielle Hinzurechnung des Betrags von 16.000 €. Im weiteren Streitjahr 2019 geschah das Gleiche, diesmal aber aufgrund der Hinzurechnung eines im Jahr 2016 gebildeten Investitionsabzugsbetrags, der im Jahr 2019 nach Durchführung der Investition außerbilanziell hinzugerechnet wurde; auch hier berücksichtigte das Finanzamt die außerbilanzielle Hinzurechnung nicht bei der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zu Recht hat das Finanzamt die außerbilanzielle Hinzurechnung des Hinzurechnungsbetrags in den Streitjahren 2018 und 2019 nicht bei der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes berücksichtigt. Die Hinzurechnung in Höhe der jeweiligen Investition minderte nicht die Höhe des verrechenbaren Verlustes.
Die Hinzurechnung hat sich nämlich weder in der Steuerbilanz noch beim steuerlichen Kapitalkonto des Kommanditisten B ausgewirkt, sondern ist nur außerbilanziell vorgenommen worden.
Durch den jeweiligen Hinzurechnungsbetrag ist der Kommanditist B auch nicht wirtschaftlich belastet worden, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Minderung des verrechenbaren Verlustes und damit eine Erhöhung des ausgleichsfähigen Verlustes gerechtfertigt wäre. Denn aufgrund der Hinzurechnung änderte sich weder der Haftungsumfang des Kommanditisten, noch erhöhte sich sein Ausfallrisiko.
Hinweise: Im Gegenzug wirkte sich aber auch die Bildung des Investitionsabzugsbetrags in den Jahren 2015 und 2016 nicht nachteilig auf die Höhe des verrechenbaren Verlustes des Kommanditisten aus. Denn auch der Investitionsabzugsbetrag wurde nur außerbilanziell erfasst, da er keine handels- oder steuerrechtliche Bilanzposition darstellt. Die Bildung bzw. Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags führt daher stets zu einem insoweit ausgleichs- und abzugsfähigen Verlust.
Auch wenn das Kapitalkonto negativ ist, kann der Verlust des Kommanditisten als ausgleichsfähig anerkannt werden – und nicht nur als verrechenbar –, soweit für den Kommanditisten nämlich eine Hafteinlage im Handelsregister eingetragen ist, die seine geleistete Einlage übersteigt. Der Kommanditist haftet in diesem Umfang nach außen und kann insoweit auch seinen Verlustanteil mit anderen positiven Einkünften ausgleichen.
Ein weiterer Streitpunkt im aktuellen Verfahren war eine „Einlage“ des Kommanditisten B auf einem neu eingerichteten Kapitalkonto III. Diese Einlage sollte nach den Vorstellungen des B sein Kapitalkonto und damit auch den ausgleichsfähigen Verlust erhöhen. Allerdings sah der BFH das Kapitalkonto III im konkreten Fall nicht als Kapitalkonto an, weil B frei über das Guthaben auf dem Kapitalkonto III verfügen konnte, während ein echtes Kapitalkonto einer gesamthänderischen Bindung unterliegt, z.B. durch Teilhabe an Verlusten oder durch Berücksichtigung bei der Berechnung des Abfindungsguthabens beim Ausscheiden des Gesellschafters; hierzu war im Gesellschaftsvertrag aber keine Regelung getroffen worden.
Quelle: BFH, Urteil vom 16.1.2025 – IV R 28/23; NWB
Umsatzsteuer-Umrechnungskurse April 2025
Tue, 06 May 2025 09:01:00 +0200
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat April 2025 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2025 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 2.5.2025 - III C 3 - S 7329/00014/007/038 (COO.7005.100.4.11913919); NWB
Körperschaftsteuerliche Organschaft mit atypisch stiller Beteiligung
Mon, 05 May 2025 08:13:00 +0200
Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird auch dann anerkannt, wenn der Organträger an der Organgesellschaft atypisch still beteiligt ist. Denn auch dann führt die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Organträger ab.
Hintergrund: Bei einer körperschaftlichen Organschaft verpflichtet sich die Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) in einem Gewinnabführungsvertrag, ihren ganzen Gewinn an den Organträger (Muttergesellschaft) abzuführen. Das Einkommen ist dann dem Organträger zuzurechnen und auch vom Organträger zu versteuern.
Bei einer atypisch stillen Beteiligung beteiligt sich ein Gesellschafter am Handelsgewerbe eines anderen, ohne nach außen in Erscheinung zu treten, also still. Die stille Gesellschaft ist atypisch, wenn der stille Gesellschafter auch an den Verlusten des Inhabers des Handelsgewerbes beteiligt ist. Der atypisch stille Gesellschafter wird dann steuerlich wie ein Mitunternehmer behandelt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH; ihre Alleingesellschafterin war die X-GmbH & Co. KG. Die Klägerin und die X-GmbH & Co. KG schlossen im Jahr 1991 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, in dem sich die Klägerin zur Abführung ihres gesamten Gewinns an die X-GmbH & Co. KG verpflichtete. Im Jahr 1992 beteiligte sich die X-GmbH & Co. KG im Umfang von 10 % als atypisch stille Gesellschafterin an der Klägerin. Das Finanzamt erkannte die körperschaftsteuerliche Organschaft in den Streitjahren 2005 bis 2008 nicht an, weil die Klägerin aufgrund der atypisch stillen Beteiligung nicht ihren gesamten Gewinn an die X-GmbH & Co. KG abgeführt habe, sondern lediglich 90 %; die weiteren 10 % habe die X-GmbH & Co. KG als atypisch stille Gesellschafterin erhalten. Das Finanzamt erfasste die Ergebnisabführung von 90 % an die X-GmbH & Co. KG als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft waren in den Streitjahren 2005 bis 2008 erfüllt. Insbesondere hat die Klägerin ihren ganzen Gewinn an die X-GmbH & Co. KG abgeführt.
Die Frage, welcher Gewinn abzuführen ist, richtet sich nach dem Zivilrecht, weil das Steuerrecht hierauf verweist. Nach dem Zivilrecht, zu dem auch das Handelsrecht gehört, stellt der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters (X-GmbH & Co. KG) Aufwand der, der den Gewinn mindert. Dieser geminderte Gewinn ist somit der „ganze Gewinn“ und wird an den Organträger abgeführt.
Der Anteil der X-GmbH & Co. KG als (atypisch) stille Gesellschafterin in Höhe von 10 % war somit Aufwand der Klägerin und minderte ihren Gewinn. Der verbleibende Gewinn war folglich der "ganze Gewinn", den die Klägerin an die X-GmbH & Co. KG abführte. Auf den steuerrechtlich ermittelten Gewinn kam es somit nicht an.
Hinweise: Der BFH bejaht in seinem aktuellen Urteil die Frage, ob an einer Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestehen kann. Damit widerspricht er der Finanzverwaltung.
Die X-GmbH & Co. KG erhält nach dem Urteil 10 % des Gewinns als (atypisch) stille Gesellschafterin und die verbleibenden 90 % als Organträger; diese 90 % stellen den ganzen Gewinn der Klägerin dar, weil die weiteren 10 % als Anteil für die (atypisch) stille Gesellschafterin Aufwand waren und den Gewinn der Klägerin minderten.
Quelle: BFH, Urteil vom 11.12.2024 – I R 33/22; NWB
Freiberufliche Tätigkeit einer Ärzte-Partnerschaft
Wed, 30 Apr 2025 08:03:00 +0200
Eine zahnärztlich tätige Partnerschaft, an der sieben Zahnärzte beteiligt sind, erzielt freiberufliche Einkünfte, auch wenn sich einer der Zahnärzte ganz überwiegend um die kaufmännische Führung der Partnerschaft kümmert und nur äußerst geringfügig zahnärztlich tätig wird.
Hintergrund: Freiberufliche Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Zu den Freiberuflern gehören insbesondere Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure und Architekten.
Sachverhalt: M war Zahnarzt und Partner einer zahnärztlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft, die aus insgesamt sieben Zahnärzten bestand. M nahm vor allem die kaufmännischen Angelegenheiten der Partnerschaft wahr und kümmerte sich um die Instandhaltung der medizinischen Geräte. Im Streitjahr 2010 beriet M lediglich fünf Patienten; am Behandlungsstuhl wurde er nicht tätig. Das Finanzamt stellte den Gewinn der Partnerschaft als gewerblich fest und begründete dies damit, dass M nicht freiberuflich tätig geworden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage der Partnerschaft statt:
Eine Personengesellschaft ist freiberuflich tätig, wenn sämtliche Gesellschafter Freiberufler sind, also die persönliche Berufsqualifikation eines freien Berufs erfüllen, und eine freiberufliche Tätigkeit tatsächlich ausüben.
Dies setzt nicht voraus, dass jeder Gesellschafter der Partnerschaft in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Vielmehr genügt es, wenn ein Gesellschafter in Form der Mit- und Zusammenarbeit mit seinen Kollegen freiberuflich tätig wird. Bei einem größeren Zusammenschluss von Ärzten gehört auch die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft zur freiberuflichen Tätigkeit. Daher kann auch ein überwiegend kaufmännisch tätiger Zahnarzt freiberuflich tätig sein.
Weitere Voraussetzung ist aber, dass jeder Gesellschafter zumindest geringfügig zahnärztlich tätig wird. Diese Voraussetzung erfüllte M, weil er fünf Patienten im Streitjahr beriet.
Hinweise: Da auch die sechs Kollegen des M freiberuflich tätig waren, waren an der Partnerschaft nur Freiberufler beteiligt und auch freiberuflich tätig. Damit erzielt die Partnerschaft selbständige Einkünfte, nicht aber Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sodass ein Gewerbesteuermessbescheid gegenüber der Partnerschaft nicht ergehen kann.
In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass jeder Gesellschafter auch freiberuflich aktiv wird, also z.B. zumindest einige Patienten behandelt, um den Anforderungen einer „zumindest äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit zu genügen. Der M hatte sich auf eine Beratung beschränkt und keinen einzigen Patienten zahnärztlich behandelt. Dem BFH hat dies zwar genügt; es ist aber nicht auszuschließen, dass Finanzgerichte den Begriff der „äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit strenger auslegen und eine ärztliche Behandlung verlangen. In jedem Fall sollte die „äußerst geringfügige“ freiberufliche Tätigkeit dokumentiert werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 4.2.2025 - VIII R 4/22; NWB
Anscheinsbeweis für private Nutzung eines betrieblichen Kfz
Tue, 29 Apr 2025 09:44:00 +0200
Grundsätzlich spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein Einzelunternehmer einen zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Pick-up auch privat nutzt. Dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert werden. Hierfür genügt jedoch nicht die bloße Behauptung, dass der Pick-up während der Arbeits- und Betriebszeiten nicht privat genutzt werden konnte.
Hintergrund: Die Privatnutzung eines betrieblichen Kfz wird als Entnahme besteuert. Der Unternehmer kann entweder ein Fahrtenbuch führen, um den privaten Nutzungsanteil zu ermitteln, oder er versteuert die Privatnutzung nach der sog. 1 %-Methode, d.h. mit monatlich 1 % Prozent des Bruttolistenpreises zuzüglich Sonderausstattung.
Sachverhalt: Der Kläger war in den Streitjahren 2015 und 2016 als Einzelunternehmer tätig. Sein Betrieb befand sich neben seinem Wohnhaus. Zu seinem Betriebsvermögen gehörte ein BMW sowie ein Pick-up, dessen Bruttolistenpreis sich auf ca. 44.000 € belief. Weiterhin befand sich ein weiteres Kfz im Betriebsvermögen, das er seinem Vorarbeiter als Dienstwagen überlassen hatte. Zum Privatvermögen des Klägers gehörten zwei Kleinwagen, die seine Kinder nutzten. Der Kläger setzte für die Privatnutzung des BMW eine Entnahme nach der sog. 1 %-Methode an, nicht aber für den Pick-Up. Das Finanzamt setzt auch für den Pick-up eine Entnahme nach der 1 %-Methode an. Hiergegen wehrte sich der Kläger u.a. mit dem Argument, dass der Pick-Up als Zugmaschine diene und insoweit den Mitarbeiten arbeitstäglich permanent zur Verfügung stehen müsse. Für eine private Mitbenutzung bleibe so kein Raum.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Für eine Privatnutzung des Pick-ups spricht der sog. Anscheinsbeweis. Es gibt nämlich einen Erfahrungssatz, dass Fahrzeuge, die ihrer Art nach typischerweise zum privaten Gebrauch geeignet sind und die für Privatfahrten zur Verfügung stehen, regelmäßig auch privat genutzt werden.
Dieser Anscheinsbeweis kann erschüttert werden. Hierzu muss der Unternehmer substantiiert einen Sachverhalt darlegen und ggf. auch nachweisen, aus dem sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens ergibt. Ein sog. Vollbeweis des Gegenteils ist nicht erforderlich.
Der Kläger hat den Anscheinsbeweis, der für eine Privatnutzung des Pick-ups spricht, nicht erschüttert. Hierfür genügte nicht der Vortrag, dass er den Pick-up während der Betriebszeiten und während seiner Arbeitszeiten nicht privat nutzen konnte. Denn eine Privatnutzung war morgens und abends, am Wochenende und während der Ferien möglich; während dieser Zeiten stand ihm der Pick-up uneingeschränkt zur Verfügung.
Der Anscheinsbeweis wurde auch nicht durch die Existenz der beiden Kleinwagen im Privatvermögen erschüttert. Denn die beiden Kleinwagen hatten einen geringeren Status und Gebrauchswert als der Pick-up und wurden zudem von den Kindern des Klägers genutzt.
Hinweise: Der Ansatz einer Entnahme, die nach der sog. 1 %-Methode bewertet wurde, war damit rechtmäßig. Die Fahrtenbuchmethode war nicht anwendbar, da der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte.
Der Kläger konnte den Anscheinsbeweis auch nicht dadurch erschüttern, dass er den Pick-up mit Werbefolien beklebt hatte. Eine derartige Werbung hindert die private Benutzung des Fahrzeugs nicht. Im Gegenteil: Denn je mehr Fahrten der Kläger mit dem Pick-up unternahm, desto höher war die Werbewirkung.
Quelle: BFH, Urteil vom 16.1.2025 – III R 34/22; NWB
Ermessensentscheidung bei Festsetzung eines Verspätungszuschlags
Mon, 28 Apr 2025 08:09:00 +0200
Steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Ermessen des Finanzamts, darf das Finanzamt bei seiner Entscheidung, ob es einen Verspätungszuschlag festsetzt (Entschließungsermessen), berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige wiederholt seine Erklärungspflichten verletzt hat.
Hintergrund: Bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung droht ein Verspätungszuschlag. In den meisten Fällen ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zwingend. In bestimmten Fällen steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags jedoch im Ermessen des Finanzamts, z.B. wenn die Steuer auf Null festgesetzt worden ist. Der Verspätungszuschlag beträgt für jeden Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens aber 25 € pro Monat.
Sachverhalt: Ein steuerpflichtiger Verein gab die Körperschaftsteuererklärung für 2019 nicht ab, so dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Für das Jahr 2020 forderte das Finanzamt den Verein vorzeitig zur Abgabe der Steuererklärung bis zum 8.4.2022 auf. Diese Frist verstrich erfolglos, so dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen auf Null schätzte und die Körperschaftsteuer auf Null festsetzte. Außerdem setzte es am 8.7.2022 einen Verspätungszuschlag in Höhe von 100 € fest; das Finanzamt begründete dies damit, dass der Verein bereits für 2019 seine Steuererklärung verspätet abgegeben habe. Am 22.8.2022 reichte der Verein dann die Körperschaftsteuererklärung ein und wandte sich nun gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Verein hatte die Körperschaftsteuererklärung verspätet abgegeben, da er vorzeitig zur Abgabe der Steuererklärung bis zum 8.4.2022 aufgefordert worden war, die Erklärung aber tatsächlich erst am 22.8.2022 eingereicht hat, also um vier Monate verspätet.
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags stand im Ermessen des Finanzamts, weil die Steuer auf Null festgesetzt worden war. Es stand damit im Ermessen des Finanzamts, ob es einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen) und in welcher Höhe es den Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Auswahlermessen).
Das Finanzamt hat sein Entschließungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Zwar ergeben sich aus dem Gesetz keine Kriterien für die Ausübung des Entschließungsermessens, sondern nur für die Ausübung des Auswahlermessens, also bei der Entscheidung über die Höhe des Verspätungszuschlags.
Entscheidend ist daher der Gesetzeszweck: Danach soll mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags zum einen Druck auf den Steuerpflichtigen für die rechtzeitige Abgabe der Erklärung in der Zukunft ausgeübt werden; zum anderen soll auch der Vorteil des Steuerpflichtigen aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung abgeschöpft werden.
Wird die Steuer wie im Streitfall auf Null festgesetzt, geht es nur um die Ausübung von Druck, um für die Zukunft die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen zu erwirken. Das Finanzamt durfte daher auf die bereits im Vorjahr verspätet abgegebene Steuererklärung abstellen und einen Verspätungszuschlag festsetzen, um Druck zu erzeugen, damit der Verein jedenfalls ab 2021 seine Steuererklärung pünktlich abgibt.
Gegen die Höhe des Verspätungszuschlags gab es keine Einwendungen. Der Verein hatte die Körperschaftsteuererklärung vier Monate zu spät abgegeben. Die Höhe des Verspätungszuschlags von 100 € entsprach einer Verzögerung um vier Monate bei Anwendung des Mindestsatzes von 25 € pro Monat, der bei einer Null-Festsetzung heranzuziehen ist.
Hinweise: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, weil bislang umstritten ist, welche Kriterien bei der Ausübung des Entschließungsermessens zu beachten sind. Während das FG im Streitfall auf die wiederholt verspätete Abgabe der Steuererklärung abgestellt hat, wird auch die Auffassung vertreten, dass es auf Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile, auf das Verschulden oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ankommen könne.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.11.2024 – 8 K 8046/23, Rev. beim BFH: Az. XI R 31/24; NWB
Übernahme einer Pensionsverpflichtung durch neuen Arbeitgeber
Fri, 25 Apr 2025 08:18:00 +0200
Stellt ein Arbeitgeber einen neuen Arbeitnehmer ein und übernimmt er die Pensionsverpflichtung des bisherigen Arbeitgebers gegen Übernahme von Vermögenswerten, kann dies zu einem bilanziellen Gewinn führen. Dieser Gewinn kann durch eine Rücklagenbildung zeitlich verteilt werden, indem die Rücklage im Jahr ihrer Bildung und in den folgenden 14 Jahre zu je 1/15 gewinnerhöhend aufgelöst wird.
Hintergrund: Nach dem Gesetz können sogenannte Übernahmegewinne, die z.B. bei der Übernahme von Pensionsverpflichtungen gegen Übernahme von Vermögenswerten (z.B. Zuzahlungen) entstehen, durch eine Rücklage abgemildert werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die im Jahr 2014 den R als Arbeitnehmer anstellte. Der bisherige Arbeitgeber hatte dem R eine Pensionszusage erteilt, die die Klägerin anlässlich des Arbeitsplatzwechsels des R übernahm; die Pensionsverpflichtung war von der Klägerin in Höhe von ca. 430.000 € zu passivieren. Dafür übertrug der bisherige Arbeitgeber des R auf die Klägerin mehrere Vermögenswerte wie z.B. eine Lebensversicherung und mehrere Forderungen gegenüber R im Wert von ca. 510.000 €. Hieraus ergab sich ein sog. Übernahmegewinn in Höhe von ca. 80.000 €. Die Klägerin stellte den Übernahmegewinn in eine Rücklage, die sie im Streitjahr 2014 und in den 14 Folgejahren zu je 1/15 gewinnerhöhend auflöste bzw. auflösen wollte. Das Finanzamt hielt die Rücklagenbildung für unzulässig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Der Gesetzgeber ermöglicht die Bildung einer Rücklage für Übernahmegewinne, die sich aufgrund der Übernahme einer Pensionsverpflichtung ergeben.
Zwar verweist die Rücklagenregelung nicht auf den speziellen Fall der Übernahme einer Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten. Bei dieser speziellen Regelung handelt es sich aber nur um eine Bewertungsvorschrift, nicht aber um eine der Fallgruppen der Übernahme von Verpflichtungen, für die eine Rücklagenbildung ausdrücklich vorgesehen ist.
Der Streitfall betrifft die Übernahme einer Verpflichtung. Die Übernahme einer Verpflichtung wird im Gesetz geregelt, und im Gesetz wird für den Fall der Übernahme einer Verpflichtung eine Rücklagenbildung zugelassen. Es ist daher unschädlich, dass die Regelung über die Rücklagenbildung nicht auf die Bewertungsvorschrift, die speziell bei der Übernahme von Pensionsverpflichtungen greift, Bezug nimmt.
Für die Bildung einer Rücklage spricht auch der Gesetzeszweck; denn der Gesetzgeber wollte die Übertragbarkeit von Versorgungszusagen nicht erschweren und hat deshalb die Möglichkeit eingeräumt, einen Übernahmegewinn zeitlich zu verteilen.
Hinweise: Der Übernahmegewinn resultiert daher, dass die übernommene Pensionsverpflichtung nur mit einem relativ niedrigen Wert passiviert werden darf, während die übernommenen Vermögenswerte mit einem „normalen“ und damit höheren Wert zu aktivieren sind.
Das Urteil ist für Unternehmer, die Pensionsverpflichtungen übernehmen, erfreulich, weil es die zeitliche Verteilung eines etwaigen Übernahmegewinns auf insgesamt 15 Jahre ermöglicht.
Quelle: BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 24/21; NWB
Grunderwerbsteuer bei nachträglichen Sonderwünschen für Hausbau
Wed, 23 Apr 2025 09:41:00 +0200
Äußert ein Grundstückskäufer, der einen Kauf- und Werkvertrag über ein vom Veräußerer zu errichtendes Gebäude abgeschlossen hat, nach Beginn der Rohbauarbeiten Sonderwünsche, die er gesondert bezahlen muss, unterliegt das Entgelt für diese Sonderwünsche ebenfalls der Grunderwerbsteuer. Hierüber ist ein gesonderter Grunderwerbsteuerbescheid zu erlassen.
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Entgelt. Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach dem Gesetz aber auch Zahlungen, die der Erwerber dem Veräußerer zusätzlich gewährt.
Sachverhalte: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über zwei ähnlich gelagerte Fälle entscheiden. Die jeweiligen Kläger erwarben ein Grundstück, das der Veräußerer noch bebauen musste. Die Art und Qualität der zu errichtenden Gebäude war im Einzelnen geregelt. Sonderwünsche mussten jedoch extra bezahlt werden. Beide Kläger äußerten jeweils Sonderwünsche und bezahlten die entsprechenden Bauleistungen dem jeweiligen Veräußerer. Das Finanzamt unterwarf die Zahlungen für die Sonderwünsche der Grunderwerbsteuer und erließ jeweils einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid. Hiergegen wehrten sich die Kläger.
Entscheidung: Der BFH wies die Klagen - wie auch die Vorinstanzen – in Bezug auf die Besteuerung der Sonderwünsche ab:
Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach der Gegenleistung (Entgelt). Zur Gegenleistung gehören auch Zahlungen des Käufers, die er dem Veräußerer zusätzlich leistet. Es handelt sich dabei um nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen.
Nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen setzen voraus, dass bereits ein Kaufvertrag über das Grundstück existiert und dass es zwischen den Sonderwünschen und dem Kaufvertrag einen rechtlichen Zusammenhang gibt, indem z.B. eine bereits im Kaufvertrag genannte Bauleistung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts verändert wird.
Im Streitfall handelte es sich um nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen, die der Grunderwerbsteuer unterlagen. Der rechtliche Zusammenhang zwischen den Sonderwünschen und den Kaufverträgen ergab sich daraus, dass die Bauleistungen, zu denen sich der Veräußerer jeweils verpflichtet hatte, nun konkretisiert, verändert oder anderweitig angepasst wurden (z.B. hinsichtlich der Materialauswahl).
Das Finanzamt hat zu Recht jeweils einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid erlassen und nicht den bisherigen Bescheid geändert. Die nachträglich gewährten zusätzlichen Leistungen können nicht in den ursprünglichen Bescheid mit aufgenommen werden und zu dessen Änderung führen, weil sie erst nach Abschluss des Kaufvertrags vereinbart worden sind.
Hinweise: Hätten die Kläger ihre Sonderwünsche nicht vom Veräußerer, sondern von einem Handwerker, der nichts mit dem Veräußerer zu tun hat, ausführen lassen, wäre keine Grunderwerbsteuer entstanden.
In einem der beiden Fälle gab es noch eine Besonderheit (Az. II R 18/22): Der Kläger verpflichtete sich, die Kosten für die Hausanschlüsse für Gas, Wasser und Strom zu tragen, während der Veräußerer verpflichtet war, die Anträge für den Kläger zu stellen. Das Finanzamt unterwarf auch diese Zahlungen des Klägers der Grunderwerbsteuer. Dem widersprach der BFH, weil die Übernahme dieser Kosten bereits im Kaufvertrag geregelt war und damit keine zusätzliche Leistung mehr darstellte. Der BFH ließ offen, ob die Hausanschlusskosten im ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid hätten erfasst werden müssen oder ob es sich um Leistungen handelte, die gar nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen.
Quelle: BFH, Urteile vom 30.10.2024 – II R 15/22 und II R 18/22 (Wasseranschlusskosten); NWB
Vorsteuervergütung aus nicht beigefügter Anzahlungsrechnung
Tue, 22 Apr 2025 11:21:00 +0200
Der Antrag eines im Ausland ansässigen Unternehmens auf Vergütung der Vorsteuer aus einer Anzahlungsrechnung hat auch dann Erfolg, wenn der Unternehmer nur die Schlussrechnung, nicht aber die Anzahlungsrechnung beigefügt hat, jedoch die Anzahlungsrechnung, die Anzahlung selbst sowie die Schlussrechnung denselben Vergütungszeitraum betreffen. Das für die Vergütung der Vorsteuer zuständige Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) kann dann nämlich den Anspruch auf Vergütung der Vorsteuer aus der Anzahlungsrechnung inhaltlich überprüfen.
Hintergrund: Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, dem Umsatzsteuer in einer deutschen Rechnung berechnet worden ist, kann die Vergütung dieser Umsatzsteuer als Vorsteuer beantragen. Hierzu muss der Unternehmer bis zum 30.9. des Folgejahres einen entsprechenden Antrag beim BZSt stellen und die erforderlichen Angaben zu den einzelnen Rechnungen machen und die Rechnungen auch beifügen.
Sachverhalt: Klägerin war eine österreichische Kapitalgesellschaft, die für zwei Leistungen deutscher Unternehmen Umsatzsteuer gezahlt hatte. Die deutschen Unternehmen hatten jeweils eine Anzahlungsrechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis und anschließend jeweils eine Schlussrechnung erstellt, in der dann die Anzahlung mit Umsatzsteuer von der jeweiligen Schlusssumme abgezogen wurde. Die Klägerin beantragte beim BZSt im Juni 2018 die Vergütung der von ihr an die deutschen Unternehmer gezahlten Umsatzsteuern im Rahmen eines Vorsteuervergütungsantrags für den Zeitraum Januar bis Dezember 2017. Sie gab in ihrem Antrag nur die beiden Schlussrechnungen an, nicht aber auch die beiden Anzahlungsrechnungen. Zudem reichte sie auch nur die beiden Schlussrechnungen ein, nicht aber auch die beiden Anzahlungsrechnungen. Das BZSt vergütete die Vorsteuer nur, soweit sie sich aus den Abschlusszahlungen der beiden Endrechnungen ergab, nicht aber die Vorsteuer, die sich aus den Anzahlungsrechnungen ergab.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar war der Vergütungsantrag der Klägerin formell nicht fehlerfrei. Denn die Klägerin hatte weder die beiden Anzahlungsrechnungen benannt, noch hatte sie die beiden Anzahlungsrechnungen beigefügt.
Der Vergütungsantrag war dennoch vollständig, weil sowohl die Anzahlungsrechnungen als auch die eigentlichen Anzahlungen und die beiden Schlussrechnungen im Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2017 angefallen waren. Damit war das BZSt in der Lage, den Vergütungsanspruch materiell-rechtlich, d.h. inhaltlich, zu überprüfen.
Nach den umsatzsteuerlichen Grundsätzen der Neutralität und Verhältnismäßigkeit dürfen allein formelle Fehler wie z.B. die fehlende Benennung und Beifügung der Anzahlungsrechnungen nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der Vergütung der Vorsteuer führen.
Hinweise: Der BFH stellt klar, dass das materielle Recht bedeutsamer ist als das formelle Recht. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug, zu dem auch der Vergütungsanspruch gehört, ist ein integraler Bestandteil des Mechanismus der Umsatzsteuer und darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden.
Für die Praxis empfiehlt es sich trotz des erfreulichen Urteils, die zahlreichen Formalien im Umsatzsteuerrecht zu beachten, um das Risiko eines Rechtsstreits mit dem Finanzamt zu minimieren.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.12.2024 – V R 6/23; NWB
Keine umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung für bilanzierenden Freiberufler
Thu, 17 Apr 2025 08:05:00 +0200
Eine freiberuflich tätige Partnerschaft, die freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bilanziert, unterliegt der umsatzsteuerlichen Soll-Versteuerung und muss daher die Umsatzsteuer bereits mit Ausführung ihrer Umsätze an das Finanzamt abführen. Aufgrund ihrer freiwilligen Bilanzierung gilt für sie nicht die Ist-Versteuerung, nach der die Umsatzsteuer erst bei Bezahlung durch ihre Vertragspartner abzuführen wäre.
Hintergrund: Auf Antrag kann das Finanzamt einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die sog. Ist-Versteuerung anzuwenden, so dass er die Umsatzsteuer erst dann abführen muss, wenn er das Entgelt von seinem Kunden erhält. Die Ist-Versteuerung ist u.a. zulässig, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 € betragen hat oder wenn der Unternehmer von der Buchführungs- und Inventurpflicht befreit ist oder soweit der Unternehmer Umsätze als Freiberufler ausführt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, gilt die Soll-Versteuerung, so dass der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits dann abführen muss, wenn er seine Leistung erbracht hat, ohne dass es auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine Partnerschaft, die aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bestand und freiwillig bilanzierte. Das Finanzamt hatte der Klägerin ursprünglich die Ist-Versteuerung gestattet, widerrief die Gestattung aber ab dem 1.1.2019. Die Klägerin stellte erneut einen Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung für Zeiträume ab 1.1.2021. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Hiergegen klagte die Klägerin.
Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die Klage ab:
Zwar war der Gesetzeswortlaut für eine Gestattung der Ist-Versteuerung erfüllt; denn die Klägerin war freiberuflich tätig, so dass eine der Voraussetzungen für die Ist-Versteuerung gegeben war. Die beiden anderen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, da die Klägerin über der damaligen Umsatzgrenze von 600.000 € (aktuell sind es 800.000 €) lag und auch nicht von der Buchführung befreit war.
Obwohl die Klägerin freiberuflich tätig war, hatte sie keinen Anspruch auf die Gestattung der Ist-Versteuerung; denn die Klägerin bilanzierte freiwillig. Zwar äußert sich das Gesetz nicht zu dem Fall der freiwilligen Bilanzierung. Die gesetzliche Gestattung der Ist-Versteuerung für Freiberufler steht aber im Zusammenhang mit der gesetzlichen Befreiung der Freiberufler von der Buchführungspflicht. Da ein Freiberufler nicht buchführungspflichtig ist, soll er die Umsätze auch der Ist-Versteuerung unterwerfen und daher die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vornehmen können. Bilanziert der Freiberufler freiwillig, gibt es keinen Grund für die Ist-Versteuerung. Vielmehr entspricht die Soll-Versteuerung der Bilanzierung, weil bei der Bilanzierung bereits die Forderung erfasst wird.
Hinweise: Das FG stützt sich auf eine Entscheidung des BFH, der eine Ist-Versteuerung bei Freiberuflern im Fall der Bilanzierung abgelehnt hatte. Allerdings hatte der BFH diese Aussage nur in einem nicht tragenden Teil des Urteils geäußert. Das FG hat daher die Revision zum BFH zugelassen, damit dieser überprüfen kann, ob er an seiner bisherigen Entscheidung festhält; die Klägerin hat die Revision zwischenzeitlich eingelegt.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.7.2024 – 9 K 86/24, Rev. beim BFH: V R 16/24; NWB
Finanzverwaltung äußert sich zur neuen Rechtslage für Kleinunternehmer
Tue, 15 Apr 2025 08:22:00 +0200
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem aktuellen Schreiben zur geänderten Rechtslage bei der Umsatzsteuer für Kleinunternehmer ab 1.1.2025 Stellung genommen. Das Schreiben gilt für Umsätze, die nach dem 31.12.2024 erbracht werden.
Hintergrund: Kleinunternehmer, die bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten, brauchen keine Umsatzsteuer abzuführen und sind dann auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Gesetzgeber hat ab 2025 neue Umsatzgrenzen eingeführt und behandelt die Umsätze eines Kleinunternehmers nunmehr als umsatzsteuerfrei. Ab 2025 darf der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher als 25.000 € gewesen sein und im laufenden Kalenderjahr 100.000 € nicht überschreiten. Ein Unternehmer, der die Umsatzgrenzen nicht überschreitet, kann aber auf die Kleinunternehmerregelung verzichten; er muss dann Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an das Finanzamt abführen und ist im Gegenzug vorsteuerabzugsberechtigt. An den Verzicht ist der Unternehmer fünf Kalenderjahre gebunden.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Sollte ein Kleinunternehmer künftig Umsatzsteuer in einer Rechnung ausweisen, obwohl er umsatzsteuerfreie Umsätze erbringt, muss er die Umsatzsteuer aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises an das Finanzamt abführen.
Hinweis: Dies gilt nicht, wenn der Kleinunternehmer die Leistung tatsächlich ausgeführt und die Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt hat, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist; denn dann droht keine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens.
Ein Kleinunternehmer kann eine vereinfachte Rechnung ausstellen, in der u.a. der Name und die Anschrift des Kleinunternehmers sowie seines Vertragspartners, die Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Kleinunternehmer-Identifikationsnummer des Kleinunternehmers, das Rechnungsdatum, die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände bzw. der Umfang und die Art der sonstigen Leistung sowie das Entgelt enthalten sind.
Hinweis: Diese vereinfachte Rechnung muss einen Hinweis darauf enthalten, dass die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer gilt. Der Hinweis „steuerfreier Kleinunternehmer“ genügt.
Die Rechnung eines Kleinunternehmers muss nicht elektronisch ausgestellt, sondern kann in Papierform erstellt werden. Mit Zustimmung des Leistungsempfängers ist die Ausstellung einer elektronischen Rechnung aber möglich.
Die Stellung als Kleinunternehmer endet, sobald im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 100.000 € überschritten wird. Bereits der erste Umsatz, mit dem diese Grenze überschritten wird, ist nicht mehr umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig.
Beispiel: U hat im Vorjahr die Umsatzgrenze von 25.000 € nicht überschritten. Im laufenden Kalenderjahr beträgt sein Gesamtumsatz bislang 70.000 €. Ein neuer Kunde kommt nun zu U und kauft einen Gegenstand für 50.000 €; dieser Umsatz ist nicht mehr umsatzsteuerfrei, sondern unterliegt vollständig der Umsatzsteuer. Bezüglich der Überschreitung kommt es auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts an.
Hinweis: Für Kleinunternehmer ist es daher wichtig, die aktuelle Umsatzhöhe im Blick zu behalten, weil der Wechsel zur regulären Umsatzbesteuerung theoretisch mit dem nächsten Umsatz eintreten kann, wenn hierdurch die Umsatzgrenze von 100.000 € überschritten wird.
Nimmt der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu auf, kommt es für die Beurteilung, ob er Kleinunternehmer ist, allein auf den tatsächlichen inländischen Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres an. Dabei gilt eine Umsatzgrenze von 25.000 €, nicht jedoch in Höhe von 100.000 €.
Der Unternehmer kann auf die Kleinunternehmerregelung verzichten und wird dann wie ein regulärer Unternehmer behandelt, sodass er Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an das Finanzamt abführen muss, dafür aber vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der Verzicht bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Anschließend kann der Unternehmer den Verzicht mit Wirkung von Beginn eines darauffolgenden Kalenderjahres an widerrufen.
Hinweis: Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung muss nach der Neuregelung bis zum letzten Tag des Monats Februar des übernächsten Jahres erklärt werden, für 2025 also bis zum 28.2.2027.
Hat ein Unternehmer bereits vor dem 1.1.2025 auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, ist er insgesamt fünf Kalenderjahre an diesen Verzicht gebunden, und zwar über den 1.1.2025 hinaus.
Hinweis: Für den Besteuerungszeitraum 2024 muss der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nach der bisherigen Regelung bis zum 31.12.2026 erklärt werden.
Hinweis: Neu ist ferner, dass ein Unternehmer ab 2025 auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat als Kleinunternehmer auftreten darf. Der Jahresumsatz in der EU darf dann im vorangegangenen Jahr sowie im laufenden Jahr 100.000 € nicht überschreiten; außerdem muss der Unternehmer über eine gültige Kleinunternehmer-Identifikationsnummer verfügen. Der Unternehmer darf zudem in dem anderen EU-Staat die dortigen Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer nicht überschreiten. Damit die Einhaltung der Umsatzgrenze überwacht werden kann, muss der Unternehmer an einem besonderen Meldeverfahren für Kleinunternehmer beim Bundeszentralamt für Steuern teilnehmen und vierteljährlich eine sog. Umsatzmeldung abgeben. Das aktuelle Schreiben des BMF enthält hierzu ebenfalls zahlreiche Ausführungen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 18.3.2025 – III C 3 – S 7360/00027/044/105
Preisgeld für wissenschaftliche Veröffentlichungen
Fri, 11 Apr 2025 08:25:00 +0200
Ein Preisgeld, das ein Hochschulprofessor zusammen mit einem Wissenschaftspreis für die von ihm vor der Berufung zum Professor veröffentlichten Fachbeiträge erhält, ist nicht steuerbar. Denn das Preisgeld wird nicht für eine Tätigkeit des Professors gegenüber seinem aktuellen oder früheren Dienstherrn gezahlt.
Hintergrund: Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören alle Bezüge und Vorteile, die der Arbeitgeber für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt. Arbeitslohn kann auch von einem Dritten gezahlt werden, wenn der Dritte damit die Leistung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber vergüten will.
Sachverhalt: Der Kläger war seit 2006 im wissenschaftlichen Bereich tätig. Zunächst arbeitete er im Zeitraum von 2006 bis 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der E-Universität, zudem im Jahr 2010 zusätzlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Z-Institut. Von 2012 bis 2014 war er Lehrbeauftragter an der A-Universität. Im Zeitraum von 2006 bis 2014 veröffentlichte er insgesamt acht Beiträge in Fachzeitschriften. Im Jahr 2016 wurde ihm die Habilitation der A-Universität zuerkannt, nachdem er bereits im Jahr 2014 zum Professor an der S-Hochschule berufen worden war. Im Streitjahr 2018 war der Kläger neben seiner Tätigkeit an der S-Hochschule noch freiberuflich als Berater und Dozent tätig. Der Kläger erhielt im Jahr 2018 einen mit einem Preisgeld dotierten Wissenschaftspreis des Y-Instituts, der ihm für seine acht Beiträge, die er im Zeitraum 2006 bis 2014 in Fachzeitschriften veröffentlicht hatte, verliehen wurde. Das Finanzamt erfasste das Preisgeld bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte die Steuerbarkeit des Preisgelds und gab der Klage statt:
Zwar kann Arbeitslohn auch von einem Dritten wie dem Y-Institut gezahlt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass das Y-Institut ein Entgelt für eine Arbeitsleistung des Klägers gegenüber seinem Arbeitgeber erbringen will.
Das Preisgeld wurde für die Fachbeiträge gezahlt, die der Kläger im Zeitraum 2006 bis 2014 veröffentlicht hatte, also vor seiner Berufung als Professor an der S-Hochschule. Es fehlte insoweit an einer Arbeitsleistung des Klägers gegenüber seinem aktuellen Arbeitgeber, der S-Hochschule. Es ist auch nicht ersichtlich, dass mit dem Preisgeld die frühere Tätigkeit des Klägers an der E-Universität, am Z-Institut oder an der A-Universität vergütet werden sollte.
Ferner lagen keine Anhaltspunkte für eine Zuordnung zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit vor. Denn es fehlte ein wirtschaftlicher Bezug des Preisgelds zur aktuellen freiberuflichen Tätigkeit des Klägers. Mit dem Preisgeld wurden allein die Fachbeiträge im Zeitraum 2006 bis 2014 ausgezeichnet.
Hinweise: Für eine Steuerbarkeit genügt es nicht, dass das Preisgeld und der Wissenschaftspreis die Reputation des Klägers im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der S-Hochschule und im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit als Dozent und Berater fördern.
Das Preisgeld gehörte im Übrigen auch nicht zu den sonstigen Einkünften. Dies hätte vorausgesetzt, dass das Preisgeld durch das Verhalten des Klägers wirtschaftlich veranlasst gewesen wäre. Dies wird dann bejaht, wenn der Kläger seine Leistung, also die acht veröffentlichten Fachbeiträge, um des Wissenschaftspreises willen verfasst hat. Hierfür waren keine Anhaltspunkte ersichtlich, so dass der Wissenschaftspreis samt Preisgeld kein leistungsbezogenes Entgelt für die vom Kläger verfassten und veröffentlichten Fachbeiträge darstellte.
Quelle: BFH, Urteil vom 21.11.2024 - VI R 12/22; NWB
Neues Schreiben der Finanzverwaltung zu Kryptowährung
Thu, 10 Apr 2025 08:38:00 +0200
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein aktualisiertes Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährung veröffentlicht. Wesentlicher Gegenstand der Aktualisierung ist die Erläuterung der Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen. Im Übrigen bleibt das BMF bei seiner bisherigen Sichtweise zur ertragsteuerlichen Behandlung.
Hintergrund: Kryptowährung wie z.B. Bitcoin ist eine virtuelle Währung, die in der Praxis zwar als Zahlungsmittel akzeptiert wird, aber keine offizielle Währung darstellt.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Das BMF erläutert in einem zehnseitigen Abschnitt Fachbegriffe wie z.B. Proof of work, Forging, Masternode, Wallets, ICO, UTXO, Lending oder Hard Fork.
Für Bilanzierer gelten dem BMF zufolge die folgenden Grundsätze:
Bei Kryptowährung handelt es sich um ein nicht abnutzbares materielles Wirtschaftsgut, das mit den Anschaffungskosten zu bewerten ist.
Die Anschaffungskosten entsprechen dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung. Hierzu kann auf den Kurs einer Handelsplattform (z.B. Börse Stuttgart Digital Exchange, Kraken, Bitpanda) oder einer Internetliste wie coinmarketcap.com zurückgegriffen werden.
Die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen hängt davon ab, ob die Kryptowährung dauerhaft dem Betrieb zu dienen bestimmt ist (dann Anlagevermögen) oder aber wieder verkauft werden soll (dann Umlaufvermögen). Dementsprechend ist die Kryptowährung in der Bilanz als Finanzanlage (Anlagevermögen) oder als sonstiger Vermögensgegenstand (Umlaufvermögen) auszuweisen.
Hinweis: Ausführungen zu einer möglichen Teilwertabschreibung enthält auch das neue BMF-Schreiben nicht. Die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung hängt dem Gesetz zufolge davon ab, dass der Wert voraussichtlich dauernd gemindert ist.
Durch die Veräußerung, Tausch oder Erhalt von Kryptowährung können steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden.
Gehört die Kryptowährung zum Betriebsvermögen, wird jede Betriebsvermögensmehrung als Gewinneinkünfte besteuert; zu gewerblichen Einkünften kommt es etwa, wenn der Steuerpflichtige ausschließlich im Bereich der Kryptowährung nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird.
Bei einer Einnahmen-Überschussrechnung werden die Anschaffungskosten für die Kryptowährung erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebsausgaben berücksichtigt.
Gehört die Kryptowährung zum Privatvermögen, kann die Veräußerung der Kryptowährung zu einem Spekulationsgewinn führen. Dabei gilt eine Spekulationsfrist von einem Jahr. Ein Spekulationsgewinn bleibt steuerfrei, wenn der Gesamtgewinn aus allen Spekulationsgeschäften dieses Jahres weniger als 1.000 € beträgt.
Hinweis: Nach jedem Tausch beginnt eine neue einjährige Spekulationsfrist.
Das BMF weist auf Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten des Steuerpflichtigen hin. So soll den Steuerpflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht treffen, wenn er Kryptowährung über die Handelsplattform eines ausländischen Betreibers erworben oder veräußert hat. Verwendet der Steuerpflichtige eine spezielle Software für die Aufzeichnung von Kryptowerten, muss er für die Software eine sog. Verfahrensdokumentation erstellen. Die Verfahrensdokumentation dient dem Nachweis, dass die Buchführung den gesetzlichen Anforderungen entspricht und beschreibt den Ablauf der steuerlich relevanten Vorgänge des Unternehmens. Im Übrigen betont das BMF die Informationsnähe des Steuerpflichtigen bei der Dokumentation der erforderlichen Informationen.
Hinweise: Außerdem enthält das BMF-Schreiben eine Liste bestimmter Unterlagen, Daten und Belege, die von den Finanzämtern angefordert werden können, z.B. Dokumentationen über Umschichtungen oder über die Teilnahme an sog. Airdrops.
Das aktuelle BMF-Schreiben gilt für alle offenen Fälle. Es gilt für die ertragsteuerliche Behandlung, nicht aber die umsatzsteuerliche Behandlung von Kryptowährung.
Quelle: BMF, Schreiben vom 6.3.2025 - IV C 1 – S 2256/00042/064/043; NWB
Grunderwerbsteuer: Konzernklausel bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf neu gegründete GmbH
Tue, 08 Apr 2025 08:23:00 +0200
Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens, zu dem ein Grundstück gehört, auf eine neu gegründete GmbH ist nach der sog. Konzernklausel grunderwerbsteuerfrei. Es ist unschädlich, dass der Einzelunternehmer die gesetzlich geforderte fünfjährige Vorhaltensfrist umwandlungsbedingt nicht einhalten konnte; allerdings muss er nach der Ausgliederung noch fünf Jahre zu mindestens 95 % an der GmbH beteiligt sein.
Hintergrund: Eine Umwandlung eines Unternehmens, das Grundbesitz hält, kann grundsätzlich Grunderwerbsteuer auslösen. Nach der sog. Konzernklausel sind aber bestimmte Umwandlungsvorgänge innerhalb eines Konzerns grunderwerbsteuerfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist u.a., dass die Umwandlung konzernintern erfolgt und fünf Jahre vor der Umwandlung und fünf Jahre nach der Umwandlung Beteiligungsverhältnisse von mindestens 95 % zwischen dem beherrschenden Unternehmen und den abhängigen Unternehmen bestehen.
Sachverhalt: Y war Einzelunternehmerin; zu ihrem Einzelunternehmen gehörte ein Grundstück. Mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 2018 gliederte Y ihr Einzelunternehmen samt Grundstück auf eine neu gegründete GmbH, die Klägerin, aus. Y war Alleingesellschafterin der Klägerin. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin, die nun Eigentümerin des Grundstücks geworden war, fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar war die Ausgliederung des Einzelunternehmens, zu dem ein Grundstück gehörte, auf die Klägerin grunderwerbsteuerbar, da die Klägerin hierdurch Eigentümerin des Grundstücks geworden ist.
Diese Eigentumsübergang war aber nach der sog. Konzernklausel grunderwerbsteuerfrei. Danach sind bestimmte Umwandlungen grunderwerbsteuerfrei; hierzu gehört auch die Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft.
Unschädlich ist, dass im Streitfall die fünfjährige Vorhaltensfrist nicht eingehalten werden konnte, d.h. Y nicht in den fünf Jahren zuvor zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt war. Bei einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft wird die Kapitalgesellschaft erst im Rahmen der Ausgliederung gegründet. Aus Rechtsgründen konnte Y also nicht vor dem Umwandlungsvorgang fünf Jahre lang an der Klägerin beteiligt sein.
Hinweise: Allerdings kann und muss Y die fünfjährige Nachhaltensfrist einhalten und zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt bleiben. Anderenfalls wird die Grunderwerbsteuerbefreiung rückgängig gemacht.
Der BFH setzt seine bisherige Rechtsprechung fort und legt die Konzernklausel zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Die fünfjährige Vorhaltens- oder auch die fünfjährige Nachhaltensfrist müssen daher nicht eingehalten werden, wenn dies umwandlungsbedingt schlichtweg nicht möglich ist, weil z.B. eines der Konzernunternehmen umwandlungsbedingt untergeht (etwa bei einer Verschmelzung) oder durch die Umwandlung – wie im Streitfall – erst entsteht.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.9.2024 - II R 2/22; NWB
Keine Umsatzsteuerfreiheit für Flugunterricht
Mon, 07 Apr 2025 08:17:00 +0200
Flugunterricht, der dem Erwerb der Privatpilotenlizenz dient, ist nicht umsatzsteuerfrei. Daher kann der Betreiber der Flugschule Vorsteuer geltend machen.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug eines Unternehmers setzt grundsätzlich voraus, dass er umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt. Bildungsleistungen sind unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei, insbesondere der Schul- und Hochschulunterricht sowie die Aus- und Fortbildung. Der Vorsteuerabzug besteht im Fall der Umsatzsteuerfreiheit nicht.
Wird ein Wirtschaftsgut zunächst für umsatzsteuerpflichtige Umsätze verwendet, aber innerhalb von fünf Jahren für umsatzsteuerfreie Umsätze eingesetzt, wird der Vorsteuerabzug zu Ungunsten des Klägers berichtigt, und zwar für jedes Jahr der umsatzsteuerfreien Verwendung im Umfang von 1/5. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall, so dass es bei einem Wechsel von der umsatzsteuerfreien Verwendung zur umsatzsteuerpflichtigen Verwendung zu einer Vorsteuerberichtigung zu Gunsten des Unternehmers kommt.
Sachverhalt: Der Kläger war ein gemeinnütziger Luftsportverein. Er kaufte im Jahr 2015 ein einmotoriges Flugzeug, das er seinen Mitgliedern gegen Entgelt überließ. In den Streitjahren 2016 und 2017 nutzte der Kläger das Flugzeug für die Ausbildung von Flugschülern, die eine Privatpilotenlizenz erwerben wollten. Seine Rechnungen an die Flugschüler teilte er auf in ein Entgelt für die Überlassung des Flugzeugs, das er dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterwarf, und in ein Entgelt für den eigentlichen Flugunterricht, das er als umsatzsteuerfrei behandelte. Das Finanzamt sah in dem Flugunterricht eine einheitliche Leistung, die insgesamt umsatzsteuerfrei war, und versagte daher den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Flugzeugs, indem es den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Flugzeugs im Vorjahr im Umfang von 1/5 zu Lasten des Klägers berichtigte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Der Kläger erbrachte mit dem Flugunterricht eine einheitliche Leistung, die sich aus der Überlassung des Flugzeugs für die Dauer der Flugstunde und dem eigentlichen Unterricht zusammensetzte.
Der Flugunterricht war nicht umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig, weil es sich nicht um Schul- oder Hochschulunterricht handelte. Schul- oder Hochschulunterricht dient der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten bezüglich eines breiten und vielfältigen Stoffspektrums sowie der Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse. Zum umsatzsteuerfreien Unterricht gehört jrdoch nicht der "spezialisierte" Unterricht wie z.B. Fahrunterricht oder Segelunterricht. Auch Flugunterricht ist spezialisierter Unterricht, da es nicht um die Wissensvermittlung in einem breiten und vielfältigen Spektrum von Stoffen geht.
Bei dem Flugunterricht handelte es sich auch nicht um Aus- oder Fortbildung. Denn der Erwerb der Privatpilotenlizenz ermöglicht nicht das Fliegen von Verkehrsflugzeugen. Die Privatpilotenlizenz wird nur von Hobbypiloten benötigt.
Zwar sind Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen auch dann umsatzsteuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die Schule bzw. Einrichtung auf einen Beruf oder auf eine Prüfung, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen ist, vorbereitet; eine entsprechende Bescheinigung lag jedoch nicht vor.
Hinweise: Mangels Umsatzsteuerfreiheit stand damit dem Kläger der Vorsteuerabzug zu, so dass eine Vorsteuerberichtigung zu Ungunsten des Klägers ausschied. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge wurden bislang noch nicht überprüft, so dass das FG nun die Höhe der abziehbaren Vorsteuerbeträge ermitteln muss.
Das FG muss außerdem prüfen, ob der ermäßigte Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Vereine zu Recht angewendet worden ist.
Der Gesetzgeber hat ab 2025 die Bildungsleistungen neu geregelt, allerdings im Ergebnis wohl nur eine Anpassung an das europäische Mehrwertsteuerrecht vorgenommen; die konkreten Auswirkungen der Gesetzesänderung sind noch unklar. Jedenfalls bleibt das sog. Bescheinigungsverfahren erhalten, nach dem die zuständigen Landesbehörde bescheinigt, dass die Schule bzw. Einrichtung auf einen Beruf oder auf eine Prüfung, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen ist, vorbereitet.
Quelle: BFH, Urteil vom 13.11.2024 - XI R 31/22; NWB
Negative Ausgleichszahlungen für einen Zinsswap bei Vermietungseinkünften
Fri, 04 Apr 2025 11:43:00 +0200
Der Steuerpflichtige kann negative Ausgleichszahlungen für einen Zinsswap, den er im Rahmen der Finanzierung einer vermieteten Immobilie abgeschlossen hat, nicht als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften absetzen. Es handelt sich lediglich um negative Kapitaleinnahmen, die nur beschränkt verrechenbar sind.
Hintergrund: Ein Zinsswap ist ein Finanzinstrument, welches häufig zur Absicherung eines anderen Kreditgeschäfts (z.B. Darlehensvertrag) abgeschlossen wird, um das Zinsrisiko aus dem anderen Kreditgeschäft zu mindern. Hierzu werden z.B. voneinander abweichende Zinsmodalitäten vereinbart, z.B. ein Festzinssatz einerseits und ein variabler Zinssatz andererseits. Wird der Zinsswap beendet, kann es zu Ausgleichszahlungen kommen.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die nicht gewerblich geprägt war und daher nicht bereits aufgrund ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielte. Sie erwarb eine Mietimmobilie und finanzierte diese mit einem Bankdarlehen. Im Jahr 2010 vereinbarte sie mit der Bank ein Umschuldungsdarlehen, das am 30.11.2014 ausgezahlt werden sollte und für das ein variabler Zinssatz vereinbart wurde. Die Darlehensdauer betrug zehn Jahre (Ende des Darlehensvertrags war der 30.11.2024). Außerdem vereinbarte die Klägerin einen Zinsswap mit der Bank, der vom 28.11.2014 bis zum 29.11.2024 laufen sollte und einen Festzins von 4,7 % vorsah. Der Bezugsbetrag des Zinsswaps entsprach der Höhe der Darlehenssumme des Umschuldungsdarlehens. Zum 12.1.2017 lösten die Klägerin und die Bank den Zinsswap einvernehmlich auf. Die Klägerin musste nun fast 700.000 € an die Bank als Ausgleichszahlung leisten und machte diese Zahlung in ihrer Feststellungserklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt stellte jedoch lediglich negative Kapitaleinkünfte in Höhe von fast 700.000 € fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Sowohl die Darlehenszinsen für den Kreditvertrag als auch die laufenden Zahlungen für den Zinsswap sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und wurden zu Recht vom Finanzamt steuerlich anerkannt. Der wirtschaftliche Zusammenhang, der zwischen den Darlehenszinsen und den Vermietungseinkünften besteht, erstreckt sich auch auf einen Zinsswap, wenn dieser – wie im Streitfall – das Zinsänderungsrisiko des Finanzierungsdarlehens absichern soll. Dies ist der Fall, wenn der Habenzinssatz des Swap-Geschäfts dem Sollzinssatz des Darlehens entspricht, die Höhe der Darlehensverpflichtung mit der Höhe der Bezugsgröße für den zu verrechnenden Zinssatz im Rahmen des Zinsswap-Geschäfts entspricht und wenn die Zinsbindungsfrist des Darlehens mit der Laufzeit des Swap-Geschäfts korrespondiert.
Dieser wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Zinsswap und den Vermietungseinkünften besteht allerdings nicht mehr, wenn der Zinsswap vorzeitig beendet oder aufgelöst wird. In diesem Fall ist die Ausgleichszahlung für den Zinsswap nicht mehr durch die Vermietungseinkünfte, sondern durch die Entscheidung des Steuerpflichtigen zur Beendigung bzw. Auflösung des Zinsswaps veranlasst.
Die Ausgleichszahlungen stellen negative Kapitalerträge dar und sind daher dem Grunde nach bei den Kapitaleinkünften zu berücksichtigen; denn der Zinsswap stellt ein sog. Termingeschäft dar, das zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört.
Hinweise: Die Berücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist für die Klägerin nur wenig hilfreich, da negative Kapitaleinkünfte nicht mit positiven anderen Einkünften (z.B. Vermietungseinkünften) verrechnet werden können.
Hätte es sich im Streitfall um eine betriebliche Immobilie gehandelt, wären die Darlehenszinsen, die laufenden Zahlungen für den Zinsswap sowie die Ausgleichszahlungen für den Zinsswap Betriebsausgaben gewesen.
Quelle: BFH, Urteil vom 19.11.2024 - VIII R 26/21; NWB
Gewinn- und Umsatztantieme für Minderheitsaktionär und Vorstandsmitglied
Mon, 14 Apr 2025 08:02:00 +0200
Zahlt eine AG einem Vorstandsmitglied, welches zugleich Minderheitsaktionär ist, eine Umsatz- und Gewinntantieme, führt dies grundsätzlich nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn bei Rechtsgeschäften zwischen einer AG und ihrem Vorstand wird die AG durch den Aufsichtsrat vertreten, der die Interessen der AG wahren soll. Eine verdeckte Gewinnausschüttung wird man nur dann annehmen können, wenn die Vereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds und Minderheitsaktionärs ausgerichtet ist.
Hintergrund: Kommt es bei einer Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht zu einer offenen Gewinnausschüttung gehört, wird dies als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und dem Einkommen der Kapitalgesellschaft wieder hinzugerechnet. Ein typisches Beispiel für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Gesellschafter.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine AG, die im Immobilienbereich tätig war. Aktionäre waren P, D und K zu je 1/3. K war auch alleinvertretungsberechtigter Vorstand. Im Aufsichtsrat saßen P, D und F. Die AG sagte dem K eine Gewinntantieme in Höhe von 40 % zu, soweit der Gewinn bis 250.000 € beträgt, sowie in Höhe von 10 %, soweit der Gewinn höher als 250.000 € ausfällt. Das Mindestgehalt des K sollte 50.000 € jährlich betragen. Ferner sollte K eine Umsatzprovision in Höhe von 1 % des jeweiligen Verkaufsumsatzes erhalten. Das Finanzamt behandelte sowohl die Gewinn- als auch die Umsatztantieme als verdeckte Gewinnausschüttung und rechnete sie dem Einkommen der AG hinzu.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung, verwies die Sache aber an das Finanzgericht zur weiteren Sachaufklärung zurück:
Zwar kommt nicht nur bei einer GmbH, sondern auch bei einer AG eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht, wenn es zu einer Vermögensminderung kommt, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Allerdings führt bei einer AG nicht jede fremdunübliche Vergütungsvereinbarung mit dem Vorstand zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Bei einer Vergütungsvereinbarung zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied wird die AG nämlich durch den Aufsichtsrat vertreten, der die Aufgabe hat, die Interessen der AG zu wahren. Bei einem Minderheitsaktionär und Vorstandsmitglied wird man daher nur aufgrund besonderer Umstände davon ausgehen können, dass die Vergütung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Aufsichtsrat mit nahestehenden Personen des Vorstandsmitglieds und Minderheitsaktionärs besetzt ist.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt ferner in Betracht, wenn das Vorstandsmitglied ein Mehrheitsaktionär ist, der aufgrund seiner Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung die Möglichkeit hat, ihm wohlgesinnte Aufsichtsratsmitglieder zu wählen. Allerdings war K kein Mehrheitsaktionär.
Hinweise: Der BFH verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück. Das FG muss nun die Überlegungen des Aufsichtsrats, die zu der Ausgestaltung der Vergütungsregelung mit der Gewinn- und Umsatztantieme führten, würdigen.
Der BFH macht deutlich, dass die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats ein sehr starkes Beweisanzeichen für die Fremdüblichkeit der Vergütungsvereinbarung und damit für deren steuerliche Anerkennung darstellt.
Bei einer GmbH führt eine Umsatztantieme zwar grundsätzlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, weil sie zu einer Gewinnabsaugung führen kann. Im Streitfall aber war die Umsatztantieme vom Aufsichtsrat genehmigt worden. Zudem hatte das FG mittels einer Zeugenvernehmung der Aufsichtsratsmitglieder P und F ermittelt, dass K verpflichtet gewesen war, jedes Immobilienprojekt dem Aufsichtsrat mit einer detaillierten Kalkulation vorzulegen. Der Aufsichtsrat erhielt so die Möglichkeit, nur rentable Objekte zu genehmigen und damit die Gefahr einer Gewinnabsaugung zu vermeiden.
Bei der Gewinntantieme könnte eine Rolle spielen, dass K in wirtschaftlich schlechten Jahren der AG nur eine Mindestvergütung von 50.000 € erhielt.
Quelle: BFH, Urteil vom 24.10.2024 – I R 36/22; NWB
Unrichtiger Umsatzsteuerausweis des vorherigen Eigentümers in den Mietverträgen
Thu, 03 Apr 2025 08:17:00 +0200
Bei einer umsatzsteuerfreien Vermietung muss der Vermieter die Umsatzsteuer, die der vorherigen Eigentümer zu Unrecht in den Mietverträgen gesondert ausgewiesen hat, nicht an das Finanzamt abführen. Der derzeitige Vermieter ist nämlich weder im Mietvertrag genannt, noch hat er an der Erstellung der Rechnungen (Mietverträge) mitgewirkt; ihm ist der unrichtige Umsatzsteuerausweis des vorherigen Eigentümers auch nicht zuzurechnen.
Hintergrund: Wer unrichtig Umsatzsteuer in einer Rechnung gegenüber einem Unternehmer ausweist, haftet hierfür und muss die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb im Jahr 2013 in einem Zwangsversteigerungsverfahren eine Immobilie, die an eine Klinik, an einen Physiotherapeuten und an eine Wohnungsbaugesellschaft vermietet war. Tatsächlich waren die Vermietungsumsätze umsatzsteuerfrei; allerdings hatte der vorherige Eigentümer in den Mietverträgen jeweils Umsatzsteuer ausgewiesen. Das Finanzamt verlangte nun vom Kläger die Umsatzsteuer für 2013 und begründete dies mit dem unrichtigen Umsatzsteuerausweis in den Mietverträgen, den sich die Klägerin zurechnen lassen müsse.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Klägerin war nicht verpflichtet, die vom vorherigen Eigentümer in den Mietverträgen zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Denn die Mietverträge lauteten nicht auf den Namen der Klägerin. Außerdem hatte die Klägerin an dem Umsatzsteuerausweis in den Mietverträgen nicht mitgewirkt.
Der Klägerin konnte der gesonderte Umsatzsteuerausweis in den Mietverträgen auch nicht zugerechnet werden. Eine Zurechnung kam insbesondere nicht nach dem Grundsatz "Kauf bricht nicht Miete" in Betracht. Danach tritt zwar der Käufer einer vermieteten Immobilie in den Mietvertrag ein. Diese Regelung dient aber nur dem Schutz des Mieters; sie gilt nicht für die Regelung zum unrichtigen Umsatzsteuerausweis, da diese Regelung nicht den Mieterschutz betrifft.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass der Steuerpflichtige den unrichtigen Umsatzsteuerausweis quasi veranlasst haben muss, indem er entweder die Rechnung ausgestellt bzw. an der Rechnung mitgewirkt hat oder aber sich die Ausstellung zurechnen lassen muss. Daran fehlte es im Streitfall. Allerdings können die Mieter die in den Mietverträgen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen, da der Umsatzsteuerausweis unrichtig war.
Quelle: BFH, Urteil vom 5.12.2024 – V R 16/22; NWB
Umsatzsteuer-Umrechnungskurse März 2025
Tue, 01 Apr 2025 12:27:00 +0200
Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat März 2025 bekannt gegeben.
Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2025 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.
Quelle: BMF, Schreiben vom 1.4.2025 - III C 3 - S 7329/00014/007/038 (COO.7005.100.3.11614007); NWB
Keine Gemeinnützigkeit für Cannabis-Anbauvereinigungen
Tue, 01 Apr 2025 09:41:00 +0200
Nach einer Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main sind Cannabis-Anbauvereinigungen nicht gemeinnützig. Es fehlt an der sog. Selbstlosigkeit.
Hintergrund: Die steuerliche Gemeinnützigkeit setzt voraus, dass die Körperschaft bzw. der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Dabei müssen diese Zwecke selbstlos gefördert werden; dies bedeutet insbesondere, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden.
Seit der Legalisierung von Cannabis können Cannabis-Anbauvereinigungen gegründet werden, die in der Regel als sog. Cannabis Social Clubs bezeichnet werden und seit dem 1.7.2024 eine Genehmigung für den Cannabis-Anbau beantragen können. Anbauvereinigungen bauen Cannabis an und geben das Cannabis an ihre Mitglieder ab.
Wesentlicher Inhalt der Verfügung der OFD Frankfurt a.M.:
Für die Gemeinnützigkeit fehlt es an der Selbstlosigkeit. Gemeinnützige Vereine dürfen nämlich nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen.
Der Zweck einer Cannabis-Anbauvereinigung ist der gemeinschaftliche und nichtgewerbliche Eigenanbau von Cannabis und die Weitergabe des angebauten Cannabis zum Eigenkonsum durch Mitglieder und an Mitglieder. Dieser Zweck ist nicht selbstlos.
Hinweise: Gemeinnützige Körperschaften sind grundsätzlich steuerbefreit. Außerdem können sie Spenden empfangen und hierfür Spendenbescheinigungen ausstellen, so dass der Spender seine Spende steuerlich als Sonderausgabe absetzen kann.
Da Cannabis-Anbauvereinigungen keinen Gewinn anstreben dürfen, dürfte die fehlende Gemeinnützigkeit insoweit für sie verkraftbar sein. Unterstützer von Cannabis-Anbauvereinigungen können Spenden jedoch nicht steuerlich absetzen.
Quelle: OFD Frankfurt a.M. vom 9.12.2024 – S 0171 A – 00990-0357 – St 53; NWB
Solidaritätszuschlag (noch) verfassungsgemäß
Mon, 31 Mar 2025 09:31:00 +0200
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Richter ist die Erhebung des Solidaritätszuschlags noch verfassungsgemäß.
Hintergrund: Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst vom 1.7.1991 bis zum 30.6.1992 und wird seit dem 1.1.1995 zur Finanzierung der mit der deutschen Einheit verbundenen Kosten als sog. Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben. Bei der Einkommensteuer gilt für die Erhebung des Solidaritätszuschlags eine Freigrenze. Diese Freigrenze wurde ab dem Jahr 2021 deutlich angehoben, sodass ein Großteil der Einkommensteuerpflichtigen nicht mehr mit dem Solidaritätszuschlag belastet wird.
Sachverhalt: Die Beschwerdeführer des Verfahrens verfolgen das Ziel der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags mit Wirkung zum 1.1.2020. Sie sind der Auffassung, dass die Weitererhebung des ursprünglich mit den Kosten der Wiedervereinigung begründeten Solidaritätszuschlags mit dem Auslaufen des sog. Solidarpakts II am 31.12.2019 verfassungswidrig geworden ist. Darüber hinaus verstoße der Solidaritätszuschlag gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, da er bei der Einkommensteuer nur noch zulasten von Besserverdienern erhoben wird.
Entscheidung: Die Richter des BVerfG wiesen die Verfassungsbeschwerde zurück:
Der zum 1.1.1995 eingeführte Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Grundgesetzes dar. Eine solche Ergänzungsabgabe setzt einen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraus, der durch den Gesetzgeber allerdings nur in seinen Grundzügen zu umreißen ist. Im Fall des Solidaritätszuschlags ist dies der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes.
Ein evidenter Wegfall des Mehrbedarfs begründet eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Abgabe aufzuheben oder ihre Voraussetzungen anzupassen. Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber – bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe – eine Beobachtungsobliegenheit.
Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann auch heute (noch) nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bestand und besteht demnach nicht.
Hinweis: Aus der Entscheidung folgt nicht, dass der Solidaritätszuschlag unbegrenzt weiter erhoben werden darf. Sollte der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes evident entfallen sein, muss der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe abgeschafft werden. Wann dies der Fall sein wird, ließen die Richter offen.
Quelle: BVerfG, Urteil v. 26.3.2025 - 2 BvR 1505/20; NWB
Forderungsverzicht mit Besserungsabrede durch GmbH-Gesellschafter
Fri, 28 Mar 2025 08:02:00 +0100
Ein mit mindestens 1 % beteiligter GmbH-Gesellschafter, der seiner GmbH ab dem 1.1.2009 ein Darlehen gewährt hat und nun einen Forderungsverzicht mit Besserungsabrede erklärt, kann den Teil seiner Darlehensforderung, der im Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig ist, als verdeckte Einlage im Zeitpunkt der Aufgabe oder Veräußerung der GmbH-Beteiligung nach dem sog. Teileinkünfteverfahren mit 60 % steuerlich geltend machen. Den Teil der Darlehensforderung, der im Zeitpunkt des Verzichts wertlos ist, kann er aber bereits im Zeitpunkt des Verzichts als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen.
Hintergrund: GmbH-Gesellschafter, die mit mindestens 1 % an der GmbH beteiligt sind und mit Darlehen, die sie der GmbH gewährt haben, ausfallen, können den Darlehensverlust grundsätzlich steuerlich geltend machen. Allerdings ist zu prüfen, ob sich der Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, zu denen auch der Verlust aus der Aufgabe oder Veräußerung einer wesentlichen GmbH-Beteiligung gehört, zu 60 % auswirkt oder aber bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, bei denen der Verlust zwar zu 100 % berücksichtigt wird, aber dafür je nach geltender Rechtslage nur eingeschränkt mit anderen Einkunftsarten verrechenbar sein kann. Nach dem Gesetz ist eine Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb vorrangig.
Sachverhalt: Der Kläger war mit mehr als 12 % an einer GmbH & Co. KG beteiligt und gewährte dieser am 6.2.2009 ein Darlehen in Höhe von 128.000 €. Noch im Jahr 2009 wurde die GmbH & Co. KG in die Z-GmbH umgewandelt, so dass der Kläger nun an einer GmbH beteiligt war. Im Jahr 2009 verzichteten der Kläger und die anderen Gesellschafter auf ihre Forderungen gegen die Z-GmbH gegen Besserungsabrede; sollte es der Z-GmbH wieder finanziell besser gehen, würden die Forderungen also wieder aufleben. Im Zeitpunkt des Verzichts war die Darlehensforderung des Klägers zu 34 % (= 43.520 €) werthaltig. In den Jahren 2009 bis 2012 war der Kläger als Geschäftsführer der Z-GmbH beschäftigt. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für 2009 den gesamten Verlust seiner Darlehensforderung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) berücksichtigte den Verlust der Darlehensforderung zwar nicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, jedoch teilweise bei den Einkünften aus Kapitalvermögen:
Ein Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit schied aus, weil der Forderungsverzicht vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Dies hat das Finanzgericht in der ersten Instanz festgestellt.
Der Kläger kann jedoch den Teil seiner Darlehensforderung, der im Zeitpunkt des Verzichts wertlos war (66 % von 128.000 €), im Jahr 2009 als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften geltend machen. Der Forderungsverzicht mit Besserungsabrede führte sofort zum Untergang der Forderung; die Besserungsabrede bewirkt erst dann ein Wiederaufleben der Forderung, wenn es der GmbH finanziell wieder besser geht.
Zwar ist nach dem Gesetz eine Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb vorrangig gegenüber einer Zuordnung zu den Kapitaleinkünften. Im Streitjahr 2009 konnte es aber noch nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb aus der Aufgabe oder Veräußerung der GmbH-Beteiligung kommen. Denn der Kläger hat im Jahr 2009 seine Beteiligung an der Z-GmbH weder aufgegeben noch verkauft. Zu einem Vorrang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb kann es nur dann kommen, wenn beide Einkunftsarten im selben Veranlagungszeitraum anwendbar sind.
Hinweise: Der Verlust wird bei den Kapitaleinkünften nicht erst dann berücksichtigt, wenn feststeht, dass es bei der GmbH nicht mehr zu einer finanziellen Erholung kommt. Zu einer Berücksichtigung bei den Kapitaleinkünften kommt es allerdings nur dann, wenn das Darlehen ab dem 1.1.2009 gewährt worden ist, da erst seit diesem Zeitpunkt Darlehensverluste im Privatvermögen steuerlich anerkannt werden. Auch wenn Verluste aus Kapitalvermögen zu 100 % steuerlich berücksichtigt werden, sind sie nur eingeschränkt nutzbar, da sie nach der aktuellen Gesetzeslage nicht mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden können.
Im Jahr 2013 wurde über das Vermögen der Z-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Sollte der Kläger seine GmbH-Beteiligung im Jahr 2013 aufgeben, kann er im Jahr 2013 den werthaltigen Teil seiner Forderung (43.520 €) als Darlehensverlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Aufgabe oder Veräußerung einer wesentlichen GmbH-Beteiligung) geltend machen. Dieser Verlust wird aber nur zu 60 % berücksichtigt.
Im Jahr 2013 könnte der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen erneut den wertlosen Teil seiner Forderung geltend machen, und zwar ebenfalls bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Führt dies zu einer Doppelberücksichtigung, weil der Verlust des wertlosen Teils schon im Jahr 2009 bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden ist, muss dies dem BFH zufolge verfahrensrechtlich korrigiert werden, so dass der Betrag insgesamt nur einmal steuerlich berücksichtigt wird.
Quelle: BFH, Urteil vom 19.11.2024 – VIII R 8/22; NWB
Zahlungen in die Instandhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Wed, 26 Mar 2025 11:23:00 +0100
Einzahlungen des Eigentümers einer vermieteten Eigentumswohnung in die Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft sind erst dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn und soweit die Instandhaltungsrücklage für Erhaltungsmaßnahmen verbraucht wird. Die Einzahlung wirkt sich noch nicht steuerlich aus.
Hintergrund: Wohnungseigentümergemeinschaften sind verpflichtet, eine Instandhaltungsrücklage für künftige Erhaltungsmaßnahmen zu bilden; seit dem Jahr 2020 heißt diese Rücklage Erhaltungsrücklage. Außerdem sind Wohnungseigentümergemeinschaften seit dem Jahr 2020 rechtsfähig, so dass die Instandhaltungsrücklage allein der Wohnungseigentümergemeinschaft zusteht und nicht mehr anteilig dem jeweiligen Wohnungseigentümer.
Sachverhalt: Die Kläger vermieteten Eigentumswohnungen und zahlten im Streitjahr 2021 insgesamt ca. 1.300 € in die Instandhaltungsrücklagen der Wohnungseigentümergemeinschaften ein; die Rücklagen wurden im Jahr 2021 nicht für Erhaltungsmaßnahmen verwendet. Die Kläger machten die Einzahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Der Abzug von Zahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung setzt einen steuerlichen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung voraus. Dieser Veranlassungszusammenhang entsteht erst mit dem Verbrauch der Instandhaltungsrücklage für Zwecke der Instandhaltung bzw. Erhaltung. Erst dann kann beurteilt werden, ob die von der Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführte Maßnahme auch steuerlich als Erhaltungsmaßnahme zu beurteilen ist.
Zwar ist die Rücklage zweckgebunden und darf daher nur für Erhaltungsmaßnahmen, nicht aber für Herstellungsarbeiten verwendet werden. Steuerlich können Erhaltungsmaßnahmen aber unter bestimmten Voraussetzungen durchaus zu aktivieren sein, so dass sie nur über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden können, z.B. anschaffungsnahe Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung getätigt werden und die (ohne Umsatzsteuer) 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.
Die im Jahr 2020 eingeführte Rechtsfähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften ändert hieran nichts. Zwar gehört die Instandhaltungsrücklage nunmehr zum Gemeinschaftsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht mehr anteilig deren Mitgliedern. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine zivilrechtliche Änderung, während im Einkommensteuerrecht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bleibt der Wohnungseigentümer am Bestand der Rücklage beteiligt und hat auch weiterhin einen Anspruch auf Bezahlung künftiger Erhaltungsaufwendungen aus den Mitteln der Rücklage.
Hinweise: Im Bereich der Vermietungseinkünfte ändert sich damit durch die Reform des Rechts der Wohnungseigentümergemeinschaften nichts. Der BFH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und stellt auf den Verbrauch der Instandhaltungsrücklage ab und nicht auf die Einzahlung.
Im Bereich der Bilanzierung ist noch eine Revision beim BFH anhängig. In diesem Verfahren geht es um den Erwerb einer Eigentumswohnung, die dem Betriebsvermögen des bilanzierenden Unternehmers zuzuordnen ist, und damit um die Frage, ob der auf die Instandhaltungsrücklage entfallende Anteil des Kaufpreises als Wirtschaftsgut zu aktivieren oder sofort abziehbar ist. Sollte es auch im Bilanzierungsbereich bei der bisherigen Rechtsprechung bleiben, müsste der auf die Instandhaltungsrücklage entfallende Anteil des Kaufpreises als Wirtschaftsgut (Forderung) aktiviert werden.
Im Bereich der Grunderwerbsteuer geht der BFH aufgrund der Reform des Rechts der Wohnungseigentümergemeinschaften davon aus, dass die Instandhaltungsrücklage nur noch der Wohnungseigentümergemeinschaft zusteht. Der Kaufpreis entfällt damit vollständig auf den Erwerb der Eigentumswohnung und bildet damit auch die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Bei der Grunderwerbsteuer gilt also eine rein zivilrechtliche Betrachtungsweise, während bei der Einkommensteuer eine wirtschaftliche Betrachtungsweise greift.
Quelle: BFH, Urteil vom 14.1.2025 – IX R 19/24; NWB
Kaufpreisaufteilung bei denkmalgeschütztem Gebäude
Tue, 25 Mar 2025 08:33:00 +0100
Ist ein Grundstück mit einem denkmalgeschützten Gebäude bebaut, ist es nicht gerechtfertigt, den Kaufpreis nahezu vollständig dem Gebäude zuzurechnen. Vielmehr gelten die allgemeinen Regeln der Kaufpreisaufteilung, die im Streitfall dazu führten, dass nur 41,1 % des Gesamtkaufpreis auf das Gebäude entfallen.
Hintergrund: Der Kaufpreis für ein bebautes Grundstück ist aufzuteilen, und zwar auf den Grund und Boden, der nicht abgeschrieben werden kann, sowie auf das Gebäude, das im Fall der Vermietung oder unternehmerischen Nutzung abgeschrieben werden kann. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist also ein hoher Gebäudeanteil erstrebenswert. Das Gesetz enthält keine eindeutige Regelung, nach welchen Grundsätzen der Kaufpreis aufzuteilen ist.
Sachverhalt: Die Kläger erwarben im Jahr 2003 ein denkmalgeschütztes Gebäude im Innenstadtbereich, das aus dem 17. Jahrhundert stammte und das sie vermieteten. Im Erdgeschoss des Gebäudes befand sich ein Verkaufsraum, der über eine schmale Schaufensterfront von 3,4 m verfügte und der 14 m tief war. Die Obergeschosse wurden als Büro und Lager genutzt. Nach einem Gutachten entfielen 41,1 % des Gesamtkaufpreises auf das Gebäude. Die Kläger ordneten den gesamten Kaufpreis dem Gebäude zu und begründeten dies mit der Einstufung als Denkmal; das Gebäude müsse als Denkmal stets instandgehalten werden und habe daher eine unendliche Restnutzungsdauer.
Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) folgte dem nicht und wies die Klage ab:
Das FG hielt den Ansatz des Sachverständigen für zutreffend, der einen Gebäudeanteil von 41,1 % ermittelt hatte.
Zwar ist ein denkmalgeschütztes Gebäude stets instand zu halten. Die Instandhaltungen erfolgen aber erst in der Zukunft, während es für die Kaufpreisaufteilung auf den Gebäudezustand im Zeitpunkt des Erwerbs ankommt.
Die Aufteilung des Kaufpreises war somit nach den Grundsätzen vorzunehmen, die auch für nicht denkmalgeschützte Gebäude gelten. Im Streitfall war das sog. Ertragswertverfahren anzuwenden, weil das Gebäude zu gewerblichen Zwecken vermietet wurde. Die sich danach ergebende Aufteilung von 41,1 % für das Gebäude und 58,9 % für den Grund und Boden war nicht zu beanstanden.
Hinweise: Neben der Kaufpreisaufteilung anhand eines Sachverständigengutachtens kommen noch zwei weitere Methoden in Betracht: So kann der Kaufpreis mittels der sog. Arbeitshilfe der Finanzverwaltung aufgeteilt werden; allerdings ergibt sich hier meist ein zu niedriger Gebäudewert und damit auch eine entsprechend niedrige Abschreibung. Alternativ kann sich aus dem Kaufvertrag eine Aufteilung ergeben, wenn die Vertragsparteien den Kaufpreis aufgeteilt haben. Häufig weicht eine derartige Aufteilung aber deutlich von den Verkehrswerten ab und wird daher vom Finanzamt nicht akzeptiert, so dass dann doch ein Sachverständigengutachten erforderlich wird.
Quelle: FG Köln, Urteil vom 13.11.2024 – 2 K 1386/20; NWB
Bewertung von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft
Mon, 24 Mar 2025 08:33:00 +0100
Die Bewertung von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft kann zwar vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, abgeleitet werden; es kann aber nicht auf Verkäufe zurückgegriffen werden, bei denen über Jahre hinweg der gleiche Preis zugrunde gelegt worden ist.
Hintergrund: Werden Anteile an Kapitalgesellschaften verschenkt oder vererbt, müssen die Anteile bewertet werden. Bei börsennotierten Anteilen kann auf den Börsenkurs zurückgegriffen werden. Ist die Kapitalgesellschaft nicht börsennotiert, kommen nach dem Gesetz unterschiedliche Methoden nach einer gesetzlich vorgegebenen Reihenfolge in Betracht; dabei darf jedoch der sog. Substanzwert nicht unterschritten werden; bei dem Substanzwert handelt es sich um die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter abzüglich der Schulden der Kapitalgesellschaft.
Sachverhalt: An der X-GmbH war die M mit 9,95 % beteiligt. M starb im Jahr 2014 und wurde von ihren beiden Kindern beerbt. Bereits seit 2009 gab es mehrfach Einziehungen von GmbH-Anteilen durch die X-GmbH, bei denen ein Kurs von 400 % zugrunde gelegt wurde. Selbst noch im Februar 2015 erfolgten Einziehungen zu einem Kurs von 400 %, und im Jahr 2018 wurde unter den Gesellschaftern der X-GmbH ein Anteil zu einem Kurs von 380 % verkauft. Für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das Finanzamt den Wert der von M vererbten Anteile zunächst mit einem Wert von 400 % des Nominalwertes fest, änderte dann aber den Bescheid und setzte den in etwa sechs Mal so hohen Substanzwert als Mindestwert an. Die X-GmbH sowie die beiden Kinder der M machten geltend, dass 400 % des Nominalwertes als Anteilswert anzusetzen seien.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Da die X-GmbH nicht an der Börse notiert war, war der gemeine Wert der Anteile anzusetzen. Der gemeine Wert kann aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, abgeleitet werden. In diesem Fall darf ein (höherer) Substanzwert nicht als Mindestwert angesetzt werden.
Im Streitfall gab es keine Verkäufe unter fremden Dritten, die zur Bewertung herangezogen werden können. Es muss sich nämlich um Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handeln, bei denen der Verkäufer ohne Zwang und Not, sondern freiwillig veräußert.
Verkäufe können nicht herangezogen werden, wenn regelmäßig der gleiche Preis erzielt wird, insbesondere der Nominalwert. Denn dies zeigt, dass die Preisbildung nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs zustande gekommen ist; dies gilt auch dann, wenn wiederholt ein Mehrfaches des Nominalwerts angesetzt wird. Im Streitfall wurden immer wieder 400 % des Nominalwertes als Preis für die Einziehung zugrunde gelegt, obwohl sich die Vermögensverhältnisse bei der X-GmbH geändert hatten. Angesichts des gleichgebliebenen Einziehungspreises kam es nicht darauf an, dass eine Zwangslage bei den freiwilligen Einziehungen der Anteile nicht erkennbar war.
An sich hätte damit für die Bewertung auf eine im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke übliche Bewertungsmethode zurückgegriffen werden müssen. Allerdings konnte dies unterbleiben, weil der Substanzwert als Mindestwert nicht unterschritten werden darf, und das Finanzamt hatte den Substanzwert angesetzt.
Hinweise: Dass der Preis von 400 % des Nominalwertes nicht die tatsächlichen Wertverhältnisse widerspiegelte, zeigt sich am Missverhältnis gegenüber dem sechs Mal so hohen Substanzwert.
Auch wenn die Kläger das Verfahren verloren haben, hätte der Fall für sie noch schlechter ausgehen können, wenn das Finanzamt die Bewertung nach einer im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Bewertungsmethode vorgenommen und diese zu einer Bewertung oberhalb des Substanzwertes geführt hätte.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.9.2024 – II R 15/21; NWB
Erstattung der Steuerbelastung für Verdienstausfallschadensersatz ist steuerpflichtig
Fri, 21 Mar 2025 08:16:00 +0100
Erhält ein Steuerpflichtiger Schadensersatz wegen Verdienstausfalls, ist der Schadensersatz einkommensteuerpflichtig. Übernimmt der Schädiger zusätzlich auch die Steuerbelastung, die für den Ersatz des Verdienstausfalls anfällt, ist auch dieser Ersatz einkommensteuerpflichtig und – sofern der Ersatz der Steuerbelastung in einem Folgejahr erfolgt – nicht tarifbegünstigt.
Hintergrund: Zu den steuerpflichtigen Einkünften gehören auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war infolge eines medizinischen Behandlungsfehlers erwerbsunfähig. Sie erhielt von der Versicherung V Schadensersatz für ihren Verdienstausfall. Die Entschädigung wurde nach der sog. modifizierten Nettolohntheorie abgerechnet. Daher sollte der Klägerin zunächst nur der ausgefallene Nettolohn ersetzt werden, und erst später sollte an sie die aufgrund der Ersatzleistungen tatsächlich angefallene Einkommensteuer erstattet werden. In den Streitjahren 2017 und 2018 leistete V eine Entschädigung für den ausgefallenen Nettolohn in Höhe von jeweils ca. 21.000 €, die von der Klägerin versteuert wurden. Außerdem erstattete V im Jahr 2017 die Steuerlast für die Jahre 1997 bis 2015 in Höhe von ca. 60.000 € sowie die Steuerlast für 2016 in Höhe von ca. 6.000 €. Im Jahr 2018 erstattete V der Klägerin die Steuerlast für die im Jahr 2017 gezahlten Entschädigungen in Höhe von ca. 38.000 €. Das Finanzamt erfasste die hier genannten Zahlungen für die Steuerlast als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
Die Erstattung der Steuerlast, die sich aufgrund des in den Vorjahren geleisteten Schadensersatzes für den Verdienstausfall ergab, ist steuerbar. Denn zum Ersatz des Verdienstausfalls gehört auch die darauf entfallende Steuer.
Die Erstattung der Steuerlast beruht unmittelbar auf dem Verlust steuerbarer Einnahmen. Denn ohne den Behandlungsfehler hätte die Klägerin einen Bruttoverdienst erzielt, aus dem heraus sie die Einkommensteuer hätte entrichten können.
Für die streitige Erstattung der Steuerlast wird keine Tarifermäßigung gewährt. Zwar gewährt der Gesetzgeber eine Minderung des Steuertarifs, wenn Entschädigungen geleistet werden. Die Entschädigung muss aber vollständig in nur einem Veranlagungszeitraum geleistet werden, so dass es zu einer Zusammenballung von Einkünften und damit zu einer erhöhten steuerlichen Belastung kommt. Im Streitfall wurden die Entschädigungen der V aber in mehreren Veranlagungszeiträumen geleistet. Es handelte sich bei den Entschädigungen auch nicht um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, für die ebenfalls eine Tarifermäßigung gewährt wird. Denn der Schadensersatz wurde nicht für eine Tätigkeit der Klägerin, sondern für eine Nichtausübung der Tätigkeit gezahlt.
Hinweise: Im Ergebnis wird die Klägerin steuerlich so behandelt, als hätte sie gearbeitet. Denn sie muss rechnerisch ihren Bruttolohn (Ersatz des Nettolohns und spätere Erstattung der Steuerlast) versteuern, ohne dass sie hierfür eine Tarifermäßigung erhält.
In der Praxis haben sich zwei Methoden für die Bemessung des Schadensersatzes für Arbeitnehmer herausgebildet. Bei der im Streitfall angewandten modifizierten Nettolohnmethode wird zunächst das fiktive Nettoeinkommen vergütet und anschließend die Steuerlast erstattet. Bei der Bruttolohnmethode wird der Bruttolohn einschließlich Steuern und Sozialversicherungsbeträgen ersetzt. Beide Methoden führen zu gleichen Ergebnissen.
Quelle: BFH, Urteil vom 15.10.2024 – IX R 5/23; NWB
Kein Wechsel der Gewinnermittlungsart nach Abgabe der Bilanz
Thu, 20 Mar 2025 07:56:00 +0100
Ein Unternehmer, der nicht buchführungspflichtig ist, aber freiwillig bilanziert, kann nach Übermittlung der Bilanz an das Finanzamt nicht mehr zur Einnahmen-Überschussrechnung wechseln. Dieser Wechsel ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich aus der Einnahmen-Überschussrechnung ein niedrigerer Gewinn ergibt, mit dem ein steuerliches Mehrergebnis, das sich aufgrund einer Außenprüfung ergibt, kompensiert werden soll.
Hintergrund: Unternehmer, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind wie z.B. Freiberufler, können ihren Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln anstatt durch eine Bilanz. Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt das Zufluss- und Abflussprinzip, so dass Einnahmen im Zeitpunkt ihres Zuflusses als Betriebseinnahmen und Ausgaben im Zeitpunkt ihrer Bezahlung (Abfluss) als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Sachverhalt: Der Kläger war unternehmerisch tätig, jedoch nicht zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet. Er ermittelte seinen Gewinn bis einschließlich 2011 durch Einnahmen-Überschussrechnung. Ab dem Jahr 2012 bilanzierte er und gab nun Bilanzen beim Finanzamt ab. Er reichte für das Streitjahr 2016 beim Finanzamt eine Bilanz ein, aus der sich ein Gewinn in Höhe von ca. 20.000 € ergab. Das Finanzamt folgte der Bilanz; der Steuerbescheid für 2016 wurde bestandskräftig und stand auch nicht unter einem Vorbehalt der Nachprüfung. Das Finanzamt führte im Jahr 2019 eine Außenprüfung durch und erhöhte den Gewinn für 2016 auf ca. 33.000 €. Der Kläger legte gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein und reichte nunmehr eine Einnahmen-Überschussrechnung für 2016 ein, aus der sich ein Gewinn in Höhe von ca. 21.000 € ergab. Das Finanzamt hielt den Wechsel von der Bilanzierung zur Einnahmen-Überschussrechnung für unzulässig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Kläger hatte grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung durch Bilanzierung und der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung, da er nicht buchführungspflichtig und deshalb nicht zur Bilanzierung verpflichtet war.
Dieses Wahlrecht hatte der Kläger mit der Einreichung der Bilanz für 2016 beim Finanzamt ausgeübt und sich damit für die Bilanzierung entschieden. Das Wahlrecht wird nämlich zugunsten der Bilanzierung ausgeübt, wenn der Unternehmer eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und nach Inventur eine Bilanz erstellt, die er als endgültig ansieht und deshalb beim Finanzamt einreicht.
Die so für 2016 getroffene Wahl konnte der Kläger nicht mehr ändern. Ein Wechsel der Gewinnermittlung für denselben Gewinnermittlungszeitraum, für den das Wahlrecht bereits ausgeübt worden ist (im Streitfall: 2016), ist nur dann möglich, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben und es einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den Wechsel der Gewinnermittlung gibt. Im Streitfall gab es jedoch keinen wirtschaftlichen Grund, da es dem Kläger lediglich darum ging, das Mehrergebnis aus der Außenprüfung zu kompensieren. Letztlich hat sich der Kläger über die steuerlichen Folgen des zugunsten der Bilanzierung ausgeübten Wahlrechts geirrt, weil sich nach der Bilanzierung ein höherer Gewinn ergab als nach der Einnahmen-Überschussrechnung.
Hinweise: Grundsätzlich können steuerliche Wahlrechte noch geändert werden, solange der Steuerbescheid verfahrensrechtlich offen ist. Dies gilt jedoch nicht für das Wahlrecht über die Art der Gewinnermittlung. Auf lange Sicht steht der Kläger durch die Bilanzierung dennoch nicht schlechter da als bei der Einnahmen-Überschussrechnung, weil der Gesamtgewinn, der für die gesamte Dauer des Unternehmens ermittelt wird, bei beiden Gewinnermittlungsarten identisch ist. Allerdings fällt der Gewinn in den einzelnen Jahren unterschiedlich aus, weil z.B. bei der Bilanzierung eine Forderung gewinnerhöhend aktiviert wird, während bei der Einnahmen-Überschussrechnung erst die Bezahlung der Forderung durch den Kunden den Gewinn erhöht.
Wird die Gewinnermittlungsart in einem Folgejahr geändert, ist der Unternehmer an die neue Gewinnermittlungsart grundsätzlich für drei Jahre gebunden. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart kann zu einem Gewinn oder Verlust führen, weil eine Anpassung an die neue Gewinnermittlungsart erfolgen muss. So müssen z.B. bei einem Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung Forderungen gewinnerhöhend und Verbindlichkeiten gewinnmindernd bilanziert werden. Ein sich hieraus ergebender Übergangsgewinn kann auf Antrag auf insgesamt drei Jahre verteilt werden. Hingegen kann ein Übergangsverlust nicht verteilt werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 1/23; NWB
Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge
Tue, 18 Mar 2025 08:40:00 +0100
Eine Personengesellschaft erhält keine KFZ-Steuerbefreiung für ihre landwirtschaftlichen Fahrzeuge, wenn sie diese für den Transport der von ihr erzeugten landwirtschaftlichen Produkte zu einer ebenfalls von ihr betriebenen Biogasanlage nutzt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18.12.2024 – IV R 11/23 entschieden.
Hintergrund: Anhänger sind von der KFZ-Steuer befreit, solange diese ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt werden. Sie sind ebenfalls von der Steuer befreit, solange sie zu Beförderungen für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe verwendet werden und diese Beförderungen in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb beginnen oder enden.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie baut vornehmlich Silomais aber auch Roggen an. Daneben betreibt sie eine Biogasanlage. Den in der Biogasanlage erzeugten Strom verkauft sie. Den Silomais verwendete die Klägerin im Streitzeitraum vollständig für die Biogasanlage, den Roggen verkaufte sie ganz überwiegend. Das für die Stromgewinnung vorgesehene Getreide beförderte die Klägerin mit zwei Anhängern zu ihrer Biogasanlage. Für die beiden Anhänger beantragte die Klägerin eine Befreiung von der KFZ-Steuer. Das für die KFZ-Steuer zuständige Hauptzollamt (HZA) lehnte die Befreiung ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung: Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück:
Das Finanzbericht der ersten Instanz hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass eine Steuerbefreiung ausgeschlossen ist. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass die Klägerin - die mit der Produktion von Mais und Roggen teilweise landwirtschaftlich und mit dem Betrieb der Biogasanlage teilweise gewerblich tätig ist - einkommensteuerrechtlich insgesamt als Gewerbebetrieb anzusehen ist.
Denn die Fiktionen des Einkommensteuerrechts für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft aufgrund teilweise gewerblicher Tätigkeit (sog. Seitwärts-Abfärbung) und ihrer einer Kapitalgesellschaft ähnlichen Struktur (gewerblich geprägte Personengesellschaft) sind für die verwendungsbezogene kraftfahrzeugsteuerrechtliche Befreiung nicht von Bedeutung.
Die Befreiung scheitert jedoch daran, dass die Anhänger auch für die Beförderung des Getreides zu der gewerblich betriebenen Biogasanlage eingesetzt worden sind.
Die Beförderung hat damit auch dem Betrieb der Biogasanlage gedient und ist nicht - wie es die KFZ-steuerrechtliche Befreiungsvorschrift erfordert - ausschließlich für den landwirtschaftlichen Betrieb erfolgt.
Quelle: BFH, Urteil vom 18.12.2024 - IV R 11/23 sowie Pressemitteilung v. 25.2.2025; NWB
Berichtigung der Umsatzsteuer bei strafrechtlicher Einziehung von Bestechungsgeldern
Mon, 17 Mar 2025 08:11:00 +0100
Bestechungsgelder unterliegen der Umsatzsteuer. Wird von einem Strafgericht die Einziehung der Bestechungsgelder angeordnet, ist die Umsatzsteuer zugunsten des Täters zu berichtigen. Anderenfalls käme es zu einer Doppelbelastung durch Einziehung und Besteuerung der Bestechungsgelder.
Hintergrund: Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist das Entgelt. Ändert sich das Entgelt später, z.B. wegen eines geltend gemachten Mangels, ist die Bemessungsgrundlage zu berichtigen, so dass sich auch die Umsatzsteuer mindert. Eine Berichtigung kann aber auch zuungunsten des Unternehmers erfolgen, wenn sich im Nachhinein das Entgelt erhöht.
Sachverhalt: Der Kläger war als Ingenieur in einem Immobilienunternehmen beschäftigt und im Zeitraum 2011 bis 2014 für die Vergabe von Bauaufträgen zuständig. Er ließ sich für die Erteilung der Bauaufträge Bestechungsgelder bezahlen. Insgesamt erhielt er in den Jahren 2011 bis 2015 Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt ca. 340.000 €; auf das Streitjahr 2015 entfiel ein Teilbetrag von ca. 7.000 €. Nachdem die Bestechung aufgedeckt wurde, wurde der Kläger im Jahr 2020 zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Bestechlichkeit verurteilt; außerdem ordnete das Strafgericht die Einziehung der Bestechungsgelder in Höhe von 340.000 € an. Das Finanzamt setzte für das Streitjahr 2015 Umsatzsteuer fest, die es aus dem gezahlten Bestechungsgeld in Höhe von 7.000 € herausrechnete. Der Kläger beantragte eine Berichtigung der Umsatzsteuer und begründete dies damit, dass er im Jahr 2015 aufgrund der angeordneten Einziehung 12.000 € an die Landesjustizkasse gezahlt habe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Kläger im Grundsatz Recht, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
Die Bestechungsgelder unterliegen der Umsatzsteuer, weil der Kläger wiederholt eine Leistung erbracht, nämlich Bauaufträge erteilt hat. Dass Bestechungen strafbar sind, ist für die Steuerbarkeit grundsätzlich unbeachtlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es um kriminelle Leistungen geht, für die es keinen legalen Wirtschaftssektor gibt, wie dies etwa beim Verkauf von Drogen der Fall ist. Für die Vergabe von Bauaufträgen gibt es aber einen legalen Wirtschaftssektor, so dass Umsatzsteuer entsteht.
Die Einziehung der Taterfolge (Bestechungsgelder) führt zu einer Berichtigung zugunsten des Klägers. Zwar setzt die Berichtigung an sich voraus, dass der Unternehmer die eingezogenen Beträge an den Leistungsempfänger (Bauunternehmer), der ihn bestochen hatte, zurückzahlt und nicht an die Justizkasse und damit an einen Dritten. Jedoch ist es verfassungsrechtlich geboten, eine Berichtigung zuzulassen. Denn ansonsten käme es zu einer Doppelbelastung des Täters durch Einziehung und durch Besteuerung des eingezogenen Betrags.
Hinweise: Das Finanzgericht muss nun zunächst aufklären, ob im Streitjahr 2015 überhaupt Umsatzsteuer entstanden ist. Bei der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten käme es darauf an, dass der Kläger im Jahr 2015 noch Bauaufträge erteilt hat; der Kläger war jedoch nach den bisherigen Feststellungen nur bis einschließlich 2014 für das Immobilienunternehmen tätig.
Das Finanzgericht muss außerdem ermitteln, ob der Kläger im Streitjahr 2015 aufgrund der Einziehung in die Justizkasse eingezahlt hat. Denn die Einziehung wurde erst im Jahr 2020 angeordnet. Möglicherweise handelte es sich um eine Einzahlung aufgrund einer Beschlagnahme oder um einen Vermögensarrest; in diesem Fall wäre eine Berichtigung nicht vorzunehmen.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.9.2024 – XI R 6/23; NWB
Kein Sonderausgabenabzug für Schulgeld in der Schweiz
Fri, 14 Mar 2025 08:33:00 +0100
Schulgeld für eine Privatschule in der Schweiz ist nicht als Sonderausgabe abziehbar. Denn Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug ist, dass die Schule in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liegt.
Hintergrund: 30 % des Schulgelds, maximal 5.000 €, sind als Sonderausgaben abziehbar. Voraussetzung ist, dass die Schule in der EU oder im EWR liegt. Außerdem muss die Schule zu einem allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führen, der in Deutschland als gleichwertig anerkannt wird. Der auf die Beherbergung, Betreuung und Verpflegung entfallende Teil des Schulgelds ist nach dem Gesetz nicht als Sonderausgabe abziehbar.
Sachverhalt: Der Kläger ist Deutscher und wohnte im Streitjahr 2020 mit seiner Familie in der Schweiz. Er erzielte in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger sowie freiberuflicher Tätigkeit. Sein im Jahr 2016 geborener Sohn S besuchte ab Januar 2020 einen Privatkindergarten mit Primarschule in der Schweiz; S war im Januar 2020 noch keine vier Jahre alt. Der Kläger machte das Schulgeld in Deutschland als Sonderausgaben geltend, welches das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Der Abzug als Sonderausgaben setzt voraus, dass es sich um eine Schule in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) handelt. Die Schweiz gehört jedoch weder zur EU noch zum EWR.
Ein Sonderausgabenabzug ergibt sich auch nicht aus dem mit der Schweiz abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommen (FZA). Das FZA untersagt eine steuerliche Ungleichbehandlung, wenn diese allein wegen des Wohnsitzwechsels von Deutschland in die Schweiz erfolgt. Hätte der Kläger aber mit seiner Familie in Deutschland gelebt, hätte er ebenfalls keine Sonderausgaben geltend machen können. Denn S war im Streitjahr 2020 noch gar nicht schulpflichtig. Der Sonderausgabenabzug ist aber erst mit dem Beginn der Schulpflicht möglich.
Hinweise: Zwar ergibt sich aus dem Gesetz nicht ausdrücklich, dass das Kind schulpflichtig sein muss; allerdings hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Schulpflicht gefordert. Denn anderenfalls käme es zu einer Benachteiligung derjenigen Eltern, die ihre noch nicht schulpflichtigen Kinder in Kindergärten schicken und die dafür entstehenden Kosten nicht absetzen können.
Außerdem ist der Teil des Schulgelds, der auf Beherbergung, Betreuung und Verpflegung entfällt, nach dem Gesetz nicht absetzbar; bei noch nicht schulpflichtigen Kindern steht aber die Betreuung im Vordergrund.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 14.11.2024 – 8 K 2742/22 E; NWB
Grunderwerbsteuer: Verlängerung der Beteiligungskette bei einer Personengesellschaft
Thu, 13 Mar 2025 13:22:00 +0100
Kommt es bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft zu einer Verlängerung der Beteiligungskette, indem eine weitere Personengesellschaft als weitere mittelbare Gesellschafterin zwischengeschoben wird, an der die bisherigen Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt sind, führt dies nicht zu einem grunderwerbsteuerbaren Gesellschafterwechsel.
Hintergrund: Besitzt eine Personengesellschaft Grundbesitz und wird der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 90 % ausgetauscht, löst dies Grunderwerbsteuer aus. Bis zum 30.6.2021 entstand Grunderwerbsteuer nur dann, wenn der Gesellschafterbestand innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % unmittelbar oder mittelbar ausgetauscht wurde.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & in Co. KG mit Grundbesitz. An der Klägerin war die X-KG über eine weitere KG mittelbar zu 100 % beteiligt. Gesellschafter der X-KG waren A mit 20 %, B mit 20 %, C mit 20 %, D mit 30 % und E mit 10 %. Im Jahr 2015 übertrug C ihren Söhnen D und E jeweils die Hälfte ihrer Beteiligung, so dass diese nun mit 40 % (D) bzw. 20 % (E) an der X-KG beteiligt waren. D brachte anschließend seine Beteiligung von 40 % in eine italienische Kapitalgesellschaft (Y) ein. E brachte zugleich seine Beteiligung von 20 % in eine andere italienische Kapitalgesellschaft (Z) ein. A und B brachten nun ihre jeweils 20%ige Beteiligung in die im Oktober 2015 gegründete W-KG ein, deren Kommanditisten A und B zu jeweils 50 % waren. Damit war die W-KG zu 40 % über die X-KG und eine weitere KG an der Klägerin beteiligt; die verbleibenden 60 % an der X-KG hielten die beiden italienischen Kapitalgesellschaften. Das Finanzamt sah diese Umstrukturierung als grunderwerbsteuerbar an, weil die mittelbaren Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % ausgetauscht wurden; es beließ den Vorgang aber im Umfang von 40 % steuerfrei, weil A und B über die W-KG weiterhin zu jeweils 20 % mittelbar beteiligt blieben.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt und verneinte die Grunderwerbsteuerbarkeit:
Zwar wurden die mittelbaren Gesellschafter der Klägerin zu mindestens 95 % ausgetauscht, nämlich sogar zu 100 %. Der Übergang von 20 % der Anteile durch A und B auf die W-KG wird aber nicht als mittelbarer Gesellschafteraustausch berücksichtigt, weil A und B über die W-KG als Personengesellschaft weiterhin mittelbar an der Klägerin beteiligt blieben.
Nach dem Gesetzeswortlaut werden Personengesellschaften bei der Regelung über den Austausch von Gesellschaftern zu mindestens 95 % (jetzt: 90 %) als transparent angesehen, so dass durch sie durchgeschaut wird. Schaut man durch die W-KG hindurch, bleiben A und B weiterhin mittelbar an der Klägerin beteiligt.
Bei der Prüfung der Grunderwerbsteuerbarkeit müssen somit auch die Beteiligungsverhältnisse auf höheren Beteiligungsebenen, d.h. auf weiteren mittelbaren Beteiligungsebenen, berücksichtigt werden. Danach bleiben A und B an der Klägerin zu insgesamt 40 % mittelbar beteiligt.
Hinweise: Im Ergebnis kam es somit nur zu einem Austausch der mittelbaren Gesellschafter im Umfang von 60 %, so dass die erforderliche Quote von mindestens 95 % nicht erreicht wurde. Durch die (italienischen) Kapitalgesellschaften kann nicht hindurchgeschaut werden, da diese nicht transparent sind. Damit war der gesamte Vorgang nicht grunderwerbsteuerbar.
Auf die teilweise Steuerfreiheit kam es folglich nicht an; dem Finanzamt zufolge wäre der Vorgang zwar zu 40 % grunderwerbsteuerfrei gewesen, aber zu 60 % grunderwerbsteuerpflichtig. Der BFH widerspricht insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung.
Nach dem aktuellen Urteil bleibt die sog. Verlängerung der Beteiligungskette durch Einfügung einer Personengesellschaft grunderwerbsteuerlich unschädlich, wenn anschließend eine mittelbare Beteiligung in gleicher Höhe besteht, also neue unmittelbare oder mittelbare Gesellschafter nicht hinzugekommen sind.
Quelle: BFH, Urteil vom 21.8.2024 - II R 16/22; NWB
Differenzbesteuerung bei einem Gebrauchtwagenhändler
Tue, 11 Mar 2025 07:38:00 +0100
Ein Gebrauchtwagenhändler kann seine Umsätze nicht der Differenzbesteuerung unterwerfen, wenn er nicht nachweist, dass er die Kfz von einer Privatperson, einem Kleinunternehmer oder von einem Unternehmer, der seinerseits die Differenzbesteuerung angewendet hat, erworben hat. Auf Vertrauensschutz kann er sich nur berufen, wenn er bei Erwerb der gebrauchten Kfz gutgläubig gewesen ist und alle Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass er sich nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt.
Hintergrund: Bei der Differenzbesteuerung unterliegt nur die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Umsatzsteuer, also nicht der gesamte Netto-Verkaufserlös. Die Differenzbesteuerung ist u.a. für Kfz-Händler möglich, die Gebrauchtwagen von Privatpersonen – und damit ohne Umsatzsteuer – ankaufen und anschließend an Privatpersonen verkaufen; zulässig ist die Differenzbesteuerung auch dann, wenn der Kfz-Händler das Kfz von einem Kleinunternehmer erwirbt oder wenn der Verkäufer die Differenzbesteuerung angewendet hat. Aufgrund der Differenzbesteuerung mindert sich die Umsatzsteuer und damit der Brutto-Endverkaufspreis für den privaten Käufer.
Sachverhalt: Der Kläger war Gebrauchtwagenhändler und erwarb im Jahr 2014 29 Kfz von angeblichen Privatverkäufern. Dabei wurden die üblichen Musterverträge für Privatpersonen verwendet. Jedoch waren die Verkäufer nicht mit dem letzten eingetragenen Kfz-Halter identisch, und dem Kläger wurde keine Verkaufsvollmacht des zuletzt eingetragenen Kfz-Halters vorgelegt. Darüber hinaus erwarb der Kläger noch weitere 22 Kfz, in denen jedoch die Fahrgestellnummern nicht stimmten und deshalb nicht vom Kraftfahrtbundesamt ermittelt werden konnten. Der Kläger wollte auf die Verkäufe sämtlicher Kfz die Differenzbesteuerung anwenden. Das Finanzamt erkannte die Differenzbesteuerung nicht an.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Differenzbesteuerung war nicht anwendbar, so dass aus den Brutto-Erlösen, die der Kläger beim Verkauf der Kfz erzielte, die Umsatzsteuer herauszurechnen und an das Finanzamt abzuführen war.
Der Kläger hatte die Kfz nicht von Privatpersonen erworben, sondern von Unternehmern. Zwar handelte es sich nach den Kaufverträgen um Verkäufe durch Privatpersonen. Tatsächlich waren die Verkäufer aber nicht mit dem jeweiligen letzten Kfz-Halter identisch. Auch waren die Fahrgestellnummern unzutreffend oder unvollständig. Daher lag der Schluss nahe, dass das Kfz von einer Privatperson an einen (Zwischen-)Händler verkauft worden war, der das Kfz dann als vermeintliche Privatperson an den Kläger verkaufte.
Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verkäufer der Kfz Kleinunternehmer waren. Hiergegen sprach, dass es sich nach den Kaufverträgen um Verkäufe von Privatpersonen handelte.
Ferner sprach nichts dafür, dass die Verkäufer ihrerseits die Differenzbesteuerung vorgenommen hatten. Denn in diesem Fall hätten sie Rechnungen an den Kläger ausstellen und hierin auf die Differenzbesteuerung hinweisen müssen.
Der Kläger konnte sich schließlich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er nicht in gutem Glauben gehandelt hat. Der Kläger hat nämlich nicht alle Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass er sich nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt. Da der Kläger die Verkäufer nicht kannte, hätte er nicht ohne weiteres auf ihre Behauptung, sie seien Privatverkäufer, vertrauen dürfen, sondern sich zumindest die Verkaufsvollmacht des Kfz-Halters vorlegen lassen.
Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen einer für ihn günstigen Regelung nachweisen muss. Es blieb im Streitfall zwar letztendlich unklar, ob die Verkäufer Privatpersonen oder aber Zwischenhändler waren; diese Ungewissheit ging aber zu Lasten des Klägers. Allein die Verwendung von Musterverträgen für Privatpersonen genügt nicht für die Anwendung der Differenzbesteuerung, wenn sich Ungereimtheiten herausstellen wie z.B. die fehlende Identität zwischen dem Verkäufer und dem eingetragenen Kfz-Halter.
Quelle: BFH, Urteil vom 11.12.2024 – XI R 15/21, nv; NWB
Umsatzsteuerliche Bescheinigung für Bildungsleistungen
Mon, 10 Mar 2025 10:00:00 +0100
Die bayerische Finanzverwaltung erkennt die vor dem 1.1.2025 ausgestellten Bescheinigungen für Bildungsleistungen auch nach der neuen umsatzsteuerlichen Rechtslage an. Bildungseinrichtungen müssen daher keine neuen Bescheinigungen beantragen, um sich auf die Umsatzsteuerfreiheit für Bildungsleistungen stützen zu können.
Hintergrund: Unter bestimmten Voraussetzungen sind Bildungsleistungen umsatzsteuerfrei. So ist u.a. eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde erforderlich, dass die Bildungseinrichtung bestimmte Bildungsleistungen erbringt. Das Gesetz ist allerdings zum 1.1.2025 geändert und an das europäische Mehrwertsteuerrecht angepasst worden. Zwar bleibt es beim sog. Bescheinigungsverfahren; jedoch stellt sich die Frage, ob die aufgrund der bisherigen Rechtslage ausgestellten Bescheinigungen auch weiterhin gelten oder ob sie angepasst, d.h. neu ausgestellt werden müssen.
Wesentlicher Inhalt des Schreibens des Bayerischen Landesamts für Steuern:
Bildungsleistungen, die nach bisheriger Rechtslage umsatzsteuerfrei waren, bleiben auch nach neuer Rechtslage umsatzsteuerfrei.
Zwar ist das Gesetz zum 1.1.2025 geändert worden: Nach der bis zum 31.12.2024 geltenden Gesetzesfassung war Inhalt der Bescheinigung, dass die Bildungsleistung auf einen Beruf oder aber auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Nach der ab dem 1.1.2025 geltenden Gesetzesfassung soll die zuständige Landesbehörde bescheinigen, dass Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbracht wird.
Dennoch bleiben die vor dem 1.1.2025 erstellten Bescheinigungen auch weiterhin gültig und müssen nicht neu beantragt werden. Die Gültigkeit endet erst dann, wenn die Bescheinigung widerrufen wird oder nur befristet erteilt wurde oder der Gültigkeitszeitraum abläuft.
Hinweise: Es ist nicht erkennbar, ob das Schreiben der bayerischen Finanzverwaltung mit den anderen Bundesländern abgestimmt ist, so dass sich auch Bildungseinrichtungen außerhalb Bayerns bis auf Weiteres auf ihre vor dem 1.1.2025 erteilte Bescheinigung berufen können. Der Gesetzgeber wollte die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen eigentlich umfassend zum 1.1.2025 ändern. Zu dieser umfassenden Änderung ist es aber im Gesetzgebungsverfahren nicht gekommen – die Änderungen sind vergleichsweise moderat ausgefallen; dennoch sorgt sie für Unruhe, weil nicht klar ist, ob die auf der bisherigen Rechtslage erteilten Bescheinigungen ihre Gültigkeit behalten; hier sorgt nun – jedenfalls für Bildungseinrichtungen in Bayern – die aktuelle Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern für Klarheit zugunsten der Bildungseinrichtungen.
Quelle: Bayerisches Landesamt für Steuern vom 17.1.2025 - S 7179.1.1-21/4 St33; NWB
Umsatzsteuer auf Geschäftsführungsleistungen einer Praxisgemeinschaft
Fri, 07 Mar 2025 07:56:00 +0100
Erbringt einer der Ärzte einer ärztlichen Praxisgemeinschaft Geschäftsführungsleistungen an die Gemeinschaft, führt dies nicht dazu, dass sodann die Praxisgemeinschaft Geschäftsführungsleistungen an die anderen Ärzte, die zu der Praxisgemeinschaft gehören, ausführt; insoweit entsteht keine Umsatzsteuer. Soweit die Praxisgemeinschaft Reinigungsleistungen bezieht, die sie zum Selbstkostenpreis an die zur Praxisgemeinschaft gehörenden Ärzte weiterleitet, ist dies umsatzsteuerfrei.
Hintergrund: Leistungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter können umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sein. Bis zum 31.12.2019 gab es eine europarechtliche Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen einer ärztlichen Praxisgemeinschaft an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit, soweit die Praxisgemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung der anteiligen Kosten fordert.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine ärztliche Praxisgemeinschaft, die aus den Ärzten A und B bestand. Die Geschäftsführung der Praxisgemeinschaft übernahm A, der hierfür eine Vergütung erhielt. Die Klägerin beschäftigte im Streitjahr 2013 eine Arbeitnehmerin, die Büroarbeiten ausführte, sowie eine Putzfrau, die die Praxisräume reinigte. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin Geschäftsführungsleistungen durch A an die beiden Gemeinschafter A und B erbracht habe; außerdem habe die Klägerin Reinigungsleistungen sowie Büroarbeiten durch ihre Arbeitnehmerinnen an ihre Gemeinschafter A und B erbracht, die ebenfalls umsatzsteuerbar und -pflichtig seien.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar kann eine Praxisgemeinschaft Unternehmerin sein, wenn sie – wie im Streitfall – einen gemeinsamen Zweck verfolgt und nach außen auftritt. Sie tritt dann als Gesellschaft auf; die von ihr erbrachten Leistungen können auch an Gesellschafter geleistet werden. So ist die Überlassung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter grundsätzlich umsatzsteuerbar, wenn die Gesellschaft hierfür einen Aufwendungsersatz erhält.
Die Klägerin hat jedoch keine Geschäftsführungsleistungen an B oder an A und B ausgeführt. Denn die Geschäftsführungsleistungen, die die Klägerin von A bezogen hat und die sie an B oder aber an A und B hätte weiterleiten können, dienten der Innenorganisation der Klägerin. Die Klägerin war lediglich Leistungsempfängerin der Geschäftsführungsleistungen des A, nicht aber leistende Unternehmerin. Anderenfalls würde jede Gesellschaft, die Geschäftsführungsleistungen bezieht, damit auch eine Geschäftsführungsleistung an ihre Gesellschafter erbringen. Würde man also eine Geschäftsführungsleistung der Klägerin an A annehmen, würde die Geschäftsführungsleistung des A in ihr Gegenteil verkehrt werden, nämlich in eine anschließende Geschäftsführungsleistung der Klägerin an A (und auch B).
Soweit die Klägerin durch ihre beiden Arbeitnehmer Reinigungsleistungen sowie Büroarbeiten hat ausführen lassen, hat sie zwar Leistungen an A und B erbracht; diese Leistungen sind aber nach der im Streitjahr 2013 geltenden europäischen Rechtslage umsatzsteuerfrei. Danach soll eine Belastung mit Umsatzsteuer unterbleiben, wenn eine Praxisgemeinschaft, die umsatzsteuerfrei ist, Leistungen für umsatzsteuerfreie Tätigkeiten des A und B erbringt und lediglich einen Kostenersatz verlangt. Die weitere Voraussetzung, dass dadurch keine Wettbewerbsverzerrung eintritt, war im Streitfall ebenfalls erfüllt, da im Gesundheitsbereich grundsätzlich keine Wettbewerbsverzerrung droht.
Hinweise: Selbst, wenn es sich bei den Büroarbeiten, die die Klägerin durch ihre Arbeitnehmerin erbracht hat, um umsatzsteuerpflichtige Leistungen gehandelt hätte, hätten diese aufgrund der sog. Kleinunternehmerregelung nicht der Umsatzsteuer unterlegen. Denn mit diesen Umsätzen hätte die Klägerin nicht die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer überschritten.
Im Streitjahr 2013 konnte sich die Klägerin nur auf das europäische Mehrwertsteuerrecht berufen. Seit dem 1.1.2020 sind die hier streitigen Leistungen auch nach deutschem Recht grundsätzlich steuerfrei.
Quelle: BFH, Urteil vom 4.9.2024 - XI R 37/21; NWB